75 Mal abgeblitzt

Monatelang suchte der wohnungslose Hans N. vergeblich nach einer Bleibe

Vier Monate suchte Praktikantin Bettina Günther mit einem Klienten vergeblich eine Wohnung in der Stadt. Viele Leserinnen und Leser haben uns finanziell unterstützt und unsere Umzugs-und Wohnungsnotfallhilfe möglich gemacht – danke! Bild: G. Purlein

Würzburg. „Ich dachte, das ist doch wirklich eine schöne Aufgabe, doch dann stellte sie sich als schier unlösbar heraus“, sagt Bettina Günther. Die 23-jährige Studentin der sozialen Arbeit war nun ein halbes Jahr lang Praktikantin in der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose der Christophorus-Gesellschaft. In dieser Zeit erhielt begleitete sie den Klienten Hans N., um mit ihm zusammen eine Wohnung zu suchen. 75 Mal klopfte sie mit Hans N. bei Vermietern in Würzburg an. 75 Mal blitzten die beiden ab.

Hans N. hat kein schönes Schicksal hinter sich. Der 48-Jährige verlor vor vielen Jahren seine Frau, seinen Job und schließlich seine Wohnung. Längere Zeit lebte er auf der Straße. Um das auszuhalten, trank er. Doch Hans N. wollte sein Leben wieder in den Griff bekommen. So wandte er sich an die ökumenische Christophorus-Gesellschaft, wo er auch Hilfe fand. Hans N. konnte ins Betreute Wohnen ziehen. Dort gelang es ihm, sich zu stabilisieren. Während der Zeit im Betreuten Wohnen war es ihm sogar möglich, eine Fortbildung und ein Praktikum in einer IT Firma absolvieren und so seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu steigern.

Die Nachfrage nach dem Angebot „Betreutes Wohnen“ der Christophorus-Gesellschaft ist groß. Aus diesem Grund sollten die Männer, die von Profis begleitet werden, möglichst nach einem Jahr wieder ausziehen, um Platz für den nächsten Klienten zu machen. Doch das Ausziehen wird immer schwerer, da es in Würzburg kaum noch Wohnungen gibt, die so günstig sind, dass Hartz IV-Empfänger sie sich leisten können.

Bettina Günther begann im Oktober 2016, mit Hans N. zu suchen. „Wir trafen uns jeden Montag und Mittwoch“, schildert die Praktikantin. Dabei präsentierte sie ihm eine wachsende Liste mit Wohnungsangeboten aus dem Internet und der Zeitung. Anfangs war Hans N. voller Hoffnung, dass es mit dem Einzug in eigene vier Wände bald klappen würde. Doch es kam kaum einmal vor, dass er überhaupt zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen wurde.

Bettina Günther versuchte, ihn bei der Stange zu halten. Unermüdlich griff sie zum Hörer, um Vermieter zu kontaktieren. „Manchmal wurde uns gesagt, dass man grundsätzlich keine Hartz IV-Empfänger nimmt“, schildert sie. Nach der 30. vergeblichen Bewerbung wuchs Hans N.s Verzweiflung. Irgendwann griff er wieder zur Flasche, weil er die permanenten Ablehnungen nicht mehr ertragen konnte. Auch wurde die Angst vor dem, was ihn in Zukunft erwarten würde, immer größer. „Ihm wäre nichts anderes übrig geblieben, als in eine Verfügungswohnung zu ziehen oder wieder als Wohnungsloser umherzuziehen“, erklärt Bettina Günther. Beides ist nicht das Ziel des Wohntrainings im Betreuten Wohnen.

Dass Hans N. nun doch ein Dach über dem Kopf hat, ist einem Zufall zu verdanken: Eine der wenigen Wohnungen, die die Christophorus-Gesellschaft selbst für ihre Klienten angemietet hat, wurde vor kurzem frei. Hans N. konnte sein Glück kaum fassen. Bettina Günther half ihm beim Umzug, was keine aufwändige Sache war. Die komplette Habe des ehemals Wohnungslosen passte in sieben Umzugskartons. Die Christophorus-Gesellschaft stellte ihm, was er sonst noch in der Wohnung brauchte:  Tisch, Stühle, ein Bett.

Bis Ende des Jahres kann Hans N. auf jeden Fall in der Wohnung bleiben. In dieser Zeit will er darangehen, sich eine Arbeit zu suchen. Mit seiner Qualifikation hat er gute Chancen auf eine Stelle. Wer weiß, vielleicht findet er sogar einen Job, bei dem er so viel Geld verdient, dass er sich nächstes Jahr eine richtig schöne eigene Wohnung leisten kann. Um die Räume, in denen er jetzt lebt, frei zu machen für einen Klienten, der dann vielleicht ebenso verzweifelt wie er selbst nach einer Bleibe sucht.

Günther Purlein

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