Bei Hitze in die Wärmestube
Am 24. Juli wird während des Christophorus-Tags das Jubiläum der Einrichtung gefeiert
Wie das ist, Zahnweh zu haben und nicht zum Arzt können, kann sich kaum jemand vorstellen. Treten Schmerzen auf, begibt man sich in die nächste Praxis. „Unsere Besucher können das oft nicht, sie sind nicht versichert“, sagt Moritz Maier, der die Wärmestube leitet. Seit 1997 gibt es die Anlaufstelle der Würzburger Christophorus-Gesellschaft. Sie hilft Menschen in finanziellen und sozialen Notlagen. Warum sie wichtiger denn je ist, darüber wird beim Christophorus-Tag am 24. Juli informiert.
In der Wärmestube findet man artverwandte Seelen. Menschen, die wissen, wie es ist, im Freien zu übernachten. Menschen, die wissen, wie es ist, nie genug Geld zu haben. Menschen, die wissen, wie es ist, ausgegrenzt zu sein. In den aktuellen Krisenzeiten ist der Tagestreff von besonderer Bedeutung, berichtet Moritz Maier: „Einer unserer Gäste sagt, dass er bei uns seinen täglichen Kalorienbedarf deckt.“ Dieser Mann hat im Monat 400 Euro zur Verfügung. Damit muss er alles bezahlen. Lebensmittel. Telefongebühren. Fahrten. Klamotten. Und nicht zuletzt Medikamente, die er braucht, denn er ist schon etwas älter und nicht mehr ganz gesund.
Wenn er kommt und erst noch duschen möchte, bevor er sich genüsslich an einem der Tische ein Wurstbrot oder ein Bötchen mit Marmelade einverleibt, erhält er von Moritz Maier ein frisches Handtuch. Manchmal bringt der Mann auch seine Wäsche vorbei. „Bei uns wird gerade sehr viel Wäsche gewaschen“, sagt der Sozialarbeiter. Obdachlose Menschen haben nun mal keine Waschmaschine. Aber auch Männer und Frauen, die arm sind, können sich, geht das alte Gerät kaputt, keine neue Maschine leisten. Im Waschsalon muss man, je nachdem, wie viel Wäsche angefallen ist, bis zu zehn Euro berappen. Das sprengt das Budget.
So wenig selbstverständlich Arztbesuche sind, so wenig selbstverständlich ist es für viele Männer und Frauen aus der Wärmestube, dass sie, wann immer sie möchten, die Brause aufdrehen können. „Dabei ist duschen, gerade, wenn es heiß ist, sehr wichtig“, sagt Moritz Maier. Aktuell brütet der Sozialarbeiter in Zusammenarbeit mit dem Projekt OSKAR des Förderverein Wärmestube e.V. über eine Hitzehilfe für Obdachlose, die zum Teil bereits greift: „Wir erarbeiten eine Art Wegweiser, der zum Beispiel aufzeigt, wo man in Würzburg seine Wasserflasche auffüllen lassen kann.“ Die Wärmestube selbst ist als Ort, wo Duschen zur Verfügung stehen, aufgelistet. Außerdem gibt es Tipps, wie man sich bei hohen Temperaturen selbst schützen kann.
Eine Wärmestube, denken viele, die diesen Namen zum ersten Mal hören, dient dazu, nach einer im Freien verbrachten Frostnacht bei einer heißen Tasse Kaffee „aufzutauen“. Doch seit ihrer Gründung vor über 25 Jahren wird die Einrichtung der Christophorus-Gesellschaft zu jeder Jahreszeit gut frequentiert. „Auch im Augenblick sind manchmal bis zu 60 Menschen am Tag bei uns“, berichtet Moritz Maier. Geöffnet ist der Tagestreff auch samstags und sonntags. Gerade, weil dann fast alles andere zu hat, ist die Wärmestube am Wochenende besonders populär.
Während sich gut situierte Bürger am Sonntag in die Konditorei begeben und ein Stück Torte genießen, sind obdach- und wohnungslose Menschen glücklich, dass sie in der Wärmestube ein Käsebrot erhalten. Viele nehmen auch das Angebot der Tafel wahr, berichtet der Wärmestubenleiter: „Doch weil dort immer mehr Menschen nach Lebensmittel anstehen, gibt es für den Einzelnen inzwischen weniger.“ Die Tatsache, dass immer mehr Menschen auf Unterstützungsangebote angewiesen sind, führe überhaupt und in vielerlei Hinsicht inzwischen dazu, dass einzelne Hilfsbedürftige von dem zur Verfügung stehenden“ Kuchen“ weniger als bisher abbekommen.
Moritz Maier bietet nicht nur belegte Brote und Handtücher an, er gibt auch wertvolle Tipps, wobei er keinem Besucher gram ist, wenn der auf einen Vorschlag nicht eingeht. Niemand wird in der Wärmestube bevormundet. Niemand bekommt gesagt, wie er sein Leben zu führen hat. Diesen selbst gewählten Anspruch zu erfüllen, erfordert Sensibilität und eine ganze Menge Geduld. Und bringt manchmal auch an die Grenzen. Vor allem, weil, wie der Sozialarbeiter berichtet, immer mehr psychisch auffällige Männer und Frauen in die Wärmestube kommen: „Bis zum Beispiel jemand, der duschen möchte, es schließlich in die Dusche schafft, da vergeht mitunter eine halbe Stunde.“
Schade ist für den Einrichtungsleiter, dass das Team den Besucherinnen und Besuchern nicht auch mal einen Apfel, ein Stück Melone oder ein paar Tomaten anbieten kann. Das, was es zu essen gibt, stammt überwiegend von der Tafel: „Wobei wir inzwischen ohnehin zukaufen müssen.“ Brot soll immer da sein. Und Brot ist immer da. Obst und Gemüse jedoch seien Mangelware: „Wenn wir viel Glück haben, bringt uns allerdings mal jemand zwei Kisten Erdbeeren vorbei.“ Die Wärmestube kann laut Moritz Maier lediglich eine Grundversorgung bieten. Das betrifft Lebensmittel. Aber auch die medizinische Versorgung.
Zu organisieren, dass ein Besucher ohne Krankenversicherungsschutz, der sich röntgen lassen müsste, einen Termin beim Facharzt erhält, ist mitunter sehr schwer. Dabei hat die Wärmestube mit der studentischen Initiative „MediNetz“ einen starken Partner an ihrer Seite. „MediNetz“ allerdings ist darauf angewiesen, dass es in Würzburg Ärzte gibt, die Patienten ohne Versichertenkärtchen kostenlos behandeln.