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Wärmestube bietet auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt wieder Adventskränze an

Haben Spaß am kreativen Gestalten: Wärmestuben-Besucherin Margit R., Praktikantin Melissa Smith und Tamara Licheva. Bild: Günther Purlein

In die Wärmestube kommt Margit R. seit acht Jahren. Hier hat die 57-Jährige viele Menschen gefunden, mit denen sie sich gut versteht. Außerdem kann sie in der Einrichtung der Christophorus-Gesellschaft ihre kreative Ader ausleben. Margit R. gestaltet in letzter Zeit herbstliche Fensterbilder und bunte Gläser für Teelichter. Sie engagiert sich auch für den alljährlichen Weihnachtsstand der Wärmestube am Samstag, den 25. November auf dem Würzburger Dominikanerplatz.

Dass Margit R. so geschickt ist, verwundert nicht, wenn sie von ihrem früheren Beruf erzählt: „Ich war Näherin.“ Allerdings arbeitet sie seit 25 Jahren nicht mehr. Damals, Anfang der 90er Jahre, geschah etwas Schreckliches: „Bei meiner Schwester wurde während der Schwangerschaft Krebs festgestellt.“ Zwei Wochen, nachdem ihr Kind auf der Welt war, starb sie. Margit R. war zu diesem Zeitpunkt selbst schwanger. Der Schock über das Schicksal ihrer Schwester führte dazu, dass sie eine Depression bekam.

Beim kreativen Gestalten kann Margit R. all das Schwere in ihrem Leben für eine Weile vergessen. Gerade finanziell geht es ihr nicht gut. Wegen ihrer psychischen Erkrankung und dem frühen Ausstieg aus dem Berufsleben muss sie mit einer Minirente klarkommen: „Die stocke ich mit Geld vom Jobcenter auf.“ 180 Euro hat Margit R. zum Leben zur Verfügung. Das sind höchstens sechs Euro am Tag. Das Geld muss für Strom und Lebensmittel, Bustickets und Klamotten reichen.

Margit R. schätzt die Wärmestube als konsumfreie Anlaufstelle sehr. Deshalb unterstützt sie die Einrichtung auch bei der Vorbereitung auf den Weihnachtsstand. „Wir verkaufen Kränze, die wir selbst herstellen, und Früchtebrot, das wir mit unseren Ehrenamtlichen backen“, berichtet Melissa Smith, Studentin der Sozialen Arbeit in Würzburg, die seit Februar ein Praktikum in der Wärmestube ableistet. Das Praktikumsprojekt der gelernten Erzieherin, die sehr viel Erfahrung im kreativen Gestalten mitbringt, besteht darin, den diesjährigen Stand zu organisieren.

Der Erlös aus dem Verkauf der Kränze und des Früchtebrots kommt den Gästen der Wärmestube zugute. „Wir kaufen damit Brot, Margarine, Marmelade, Shampoo und Rasierklingen“, erläutert Sozialpädagogin Tamara Licheva, die sich als Mitarbeiterin des Projekts EHAP in der Wärmestube engagiert. EHAP steht für „Europäischer Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“. Licheva versucht von der Wärmestube aus, Menschen ohne Zugang zum Würzburger Hilfesystem, Brücken in dieses System hinein zu bauen.

Heute sind es vor allem die weiblichen Gäste, die Lust haben, mit Melissa Smith kreativ zu sein. Die Männer schauen interessiert zu. Zum Beispiel Kurt M. Der ist schon ähnlich lange Stammgast wie Margit R. Die beiden haben auch fast das gleiche Alter: Kurt M. ist gerade einmal ein Jahr jünger. Beide haben ähnlich Schweres im Leben mitgemacht. So musste Margit R. nicht nur den frühen Tod der Schwester verkraften: „Eines meiner Kinder starb mit fünfeineinhalb Jahren kurz vor einer Operation.“ Auch Kurt M. hat ein Kind verloren. Es kam schwerkrank auf die Welt und starb mit zweieinhalb.

Dass es in der Wärmestube immer Kaffee und etwas zu essen gibt, das schätzt Kurt M. im Augenblick ganz besonders. Er versäumte einen Termin beim Jobcenter, weil ihn ein Schreiben des Amtes nicht erreicht hat: „Jetzt wurde mein Regelsatz komplett gekürzt.“ Kurt M. hat im Moment überhaupt kein Geld. Keinen einzigen Euro. Zum Glück, sagt er, ist das Hilfenetz in Würzburg so dicht. Kurt M. geht in die Wärmestube, die Bahnhofsmission und zum Mittagessen zu den Erlöserschwestern.

Am 24. Dezember werden Kurt M. und Margit R. auf jeden Fall zum Feiern in die Wärmestube gehen. Auch am 25. Dezember und am 1. Januar ist die Wärmestube heuer geöffnet – obwohl beide Tage auf einen Montag fallen. Normalerweise ist die Einrichtung an diesem Tag geschlossen. Licheva: „Doch wir wollen sie aufmachen für all jene, die keine Familie haben, mit der sie feiern können.“

Günther Purlein

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