Bloß nicht den ganzen Tag gammeln!

Bewohner des Johann-Weber-Hauses begrüßen neues Wohnkultur-Projekt

Ein Bewohner des Johann-Weber-Hauses reinigt zusammen mit Schwester Brigitte den Backofen der Gemeinschaftsküche. Bild: Günther Purlein

Würzburg. Kochen, klar, das hat er drauf. Aber backen? „Davon hatte ich keine Ahnung“, gibt Stefan Köhler zu. Als er im November sah, wie Schwester Brigitte begann, Vanillekipferl und Zimtsterne zu backen, wurde der Bewohner des Johann-Weber-Hauses neugierig: „Wie geht das?“ Die Schwester zeigte es ihm. Und nicht nur das. Nach und nach weihte sie den 48-Jährigen in die Geheimnisse der Hauswirtschaft ein. Daraus entwickelte sich ein neues „Wohnkulturprojekt“ in der Christophorus-Einrichtung.

4 Männer wohnen in dem sozialtherapeutischen Haus für Wohnungslose und Strafentlassene der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft. Einige von ihnen gehen einem Ein-Euro-Job nach. Andere absolvieren eine Bildungsmaßnahme oder eine Ausbildung. Wieder andere haben einen Job irgendwo in der Stadt oder sind in der einrichtungseigenen Schreinerei tätig. Wenn die Männer neu aufgenommen werden, gibt es jedoch meist eine längere Zeit, in der sie nichts zu tun haben. Hier greift das neue Projekt. „Jeder, der neu zu uns kommt, leistet seit Herbst 40 Stunden in Haus und Hof ab“, erläutert Sozialpädagoge Tobias Schwalbe.

Fenster putzen, den Backofen reinigen, die Heizkörper säubern, das sind Arbeiten, um die man sich gemeinhin nicht reißt. „Doch das ist viel besser, als nichts zu tun zu haben“, betont Stefan Köhler. Der gelernte Heizungsbauer gehört zu jenen Bewohnern, die augenblicklich keinem Job und keiner Bildungsmaßnahme nachgehen. Er hat große gesundheitliche Probleme: „Mein Rücken ist kaputt.“ Hinzu komme sein starkes Verlangen nach Alkohol.

Gerade dann ist es gefährlich, im Zimmer vor sich hinzugammeln. Köhler, der ein Jahr lang auf der Straße lebte, will wegkommen von der Flasche. Er will wieder einen Job haben. Und nach eineinhalb Jahren im Johann-Weber-Haus irgendwann auch wieder eine Wohnung beziehen.

Sein Mitbewohner Thomas Lehmann fand es gut, dass er sich durch das Wohnkulturprojekt wieder an regelmäßige Arbeit gewöhnte. Seit April ist der 26-Jährige im Johann-Weber-Haus. Seit zwei Wochen hat er einen Arbeitsplatz in der Schreinerei: „Durch das Projekt fiel es mir von Anfang an leicht, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen und die Arbeit durchzuhalten.“

Beim gemeinsamen Fensterputzen oder Kuchenbacken wird viel erzählt. „Ich frage die Bewohner immer, wie es ihnen geht“, erzählt Schwester Brigitte, die dem Orden der Gemündener Kreuzschwestern angehört und seit vier Jahren im Johann-Weber-Haus tätig ist. Die Männer erzählen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Ärger mit Ämtern etwa oder Sorgen um die eigene Gesundheit. Die Hausarbeit weckt aber auch Erinnerungen an früher: „Einmal legte ein Bewohner die Bettwäsche auf ganz merkwürdige Weise zusammen. Ich sagte ihm, dass man das so nicht macht. Da meinte er, so habe er es von seiner Großmutter gelernt.“

Die Haus- und Hofarbeit sorgt dafür, dass sich die Bewohner noch stärker als bisher mit ihrem temporären Zuhause identifizieren. „Das Johann-Weber-Haus wurde dadurch deutlich schöner“, sagt Tobias Schwalbe. Gesäubert wurde es natürlich auch bisher schon: „Doch jetzt wird außerdem renoviert und gestaltet.“

Auch Einrichtungsleiterin Brigitte Abt sieht, dass es den Männern gut tut, fünf Stunden am Tag einer Beschäftigung nachzugehen. Viele haben keine Hobbys, die den Tag ausfüllen würden. „Ich mache Kraftsport“, sagt Thomas Lehmann. Aber Sport treibt man natürlich nicht von morgens bis abends. „Hobbys?“, meint sein Mitbewohner Stefan Köhler: „Nee, so was hab ich nicht.“

Günther Purlein

Zurück