Das Abrutschen verhindern

EHAP-Projekt der Christophorus-Gesellschaft zieht erfolgreiche Zwischenbilanz

Würzburg. In seinem Heimatland, der Slowakei, hatte Marek Caplovic (Name geändert) keinerlei berufliche Perspektive. So beschloss er im April, nach Würzburg zu gehen, wo ein Bekannter wohnt. Mehrere Wochen kam Caplovic dort unter. „Doch irgendwann kam es zu Spannungen zwischen den beiden Männern“, erzählt Sonja Schäfer vom EHAP-Team der Christophorus-Gesellschaft. Marek Caplovic sollte die Wohnung verlassen. Das sah er auch ein. Nur hatte er keine Ahnung, wo er nun wohnen sollte.

Caplovics Bekannter hatte schon mehrmals Einrichtungen der Christophorus-Gesellschaft wie die Wärmestube und die Bahnhofsmission aufgesucht. „Hier bekommst du sicher Hilfe“, meinte er zu seinem Landsmann. So standen beide eines Tages vor der Tür der ökumenischen Einrichtung in der Wallgasse 3. „Mit Hilfe eines Übersetzers versuchten wir, herauszufinden, in welcher Situation sich Caplovic befindet, wie es dazu kam und welche Hilfe er benötigt“, schildert Sonja Schäfer.

Seit Jahresbeginn gehört die Sozialpädagogin dem EHAP-Team der Christophorus-Gesellschaft an. Hinter der Abkürzung steckt der „Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“. Der hat zum Ziel, zugewanderte EU-Bürgerinnen und EU-Bürger zu unterstützen, um ihre Eingliederung zu erleichtern und um Verarmung zu verhüten. Zum anderen zielt EHAP darauf ab, Menschen zu helfen, die wohnungslos geworden oder davon bedroht sind, ihre vier Wände zu verlieren.

Im Januar begann die Christophorus-Gesellschaft, für Würzburg ein EHAP-Team aufzubauen. „Das ist seit September vollständig“, informiert Projektleiter Michael Thiergärtner. Vier Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen kümmern sich um potenzielle EHAP-Klientinnen und -Klienten. Inzwischen wurden 160 Männer und Frauen beraten und weitervermittelt. Alle erhielten Tipps, welche Einrichtungen in Würzburg helfen könnten, die jeweiligen sozialen Probleme zu lösen. Die Themenpalette ist Thiergärtner zufolge breit gefächert: „Wir verweisen zum Beispiel auf die Migrationsberatung, die Angebote der Wärmestube oder die Schuldnerberatung.“

Marek Caplovics größtes Problem war es, ein Dach über den Kopf zu finden. Dabei half ihm Sonja Schäfer. Zweimal in der Woche überreichte sie ihm Wohnungsannoncen, die sie in der Zeitung oder im Internet gefunden hatte. Der 32-jährige Slowake, der bei einer Reinigungsfirma tätig ist, hatte Glück. Er fand bald eine nette Vermieterin, die ihm eine günstige Ein-Zimmer-Wohnung anbot.

Marek Caplovic ist insofern ein spezieller EHAP-Klient, als er, zusammen mit seinem Bekannten, aktiv auf das EHAP-Team der Christophorus-Gesellschaft zuging und um Hilfe bat. Sonja Schäfer und ihre Kolleginnen und Kollegen warten jedoch nicht darauf, dass sich ein EU-Bürger in sozialer Not oder eine von Wohnungslosigkeit bedrohte Würzburgerin an sie wendet. „Wir gehen von uns aus auf die Menschen zu“, schildert sie.

Jeden Morgen schaut ein EHAP-Teammitglied in der Kurzzeitübernachtung der Christophorus-Gesellschaft vorbei. Taucht dort ein neuer Klient auf, wird er angesprochen, ob er Unterstützung benötigt. EHAP-Mitarbeiterin Tamara Licheva, die selbst aus Bulgarien stammt, hält in der Wärmestube die Augen nach Klienten offen. Johannes Kopf kümmert sich in der Bahnhofsmission um Männer und Frauen, die sich im deutschen Hilfesystem noch nicht auskennen oder die, obwohl sie aus Deutschland stammen oder schon lange hier leben, noch nicht vom Hilfenetz aufgefangen wurden.

Kürzlich hatte er es mit einem umherziehenden Wohnungslosen zu tun, der völlig aufgelöst in der Bahnhofsmission erschien. Er hatte in der Nacht, als er draußen schlief, all seine Habe verloren. Sämtliche Kleidungsstücke, der Pass, die Börse – alles war mit dem Rucksack verschwunden. Kopf begleitete den Mann zum Bürgerbüro, wo man ihm half, neue Papiere zu bekommen. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie haben seit 17 Jahren Einrichtungen der Armenfürsorge in der Christophorus-Gesellschaft gebündelt, wo für solche Situationen weiterführende Hilfen angeboten werden.

Die meisten der bisher rund 160 Klienten, zeigt die EHAP-Zwischenbilanz im letzten Quartal 2016, konnten erfolgreich ins Hilfesystem integriert werden. In einigen Fällen ließ sich nicht nachverfolgen, ob die Männer und Frauen tatsächlich zu den Stellen gegangen sind, die ihnen empfohlen wurden. In mehreren anderen Fällen läuft die Beratung noch. Auf eigene Faust hätten es die wenigsten geschafft, sich sozial zu stabilisieren. Zum einen, weil sie nicht wussten, wie das Hilfesystem funktioniert. Zum anderen, weil Sprachprobleme sie davon abgehalten hätten, nach Unterstützung zu suchen.

Günther Purlein

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