„Das hier gefällt mir richtig gut!!"
Kfz-Meister Thomas Fuchs engagiert sich seit Januar in der Wärmestube

15.10.2024
„Kaffee!“ sagt der Mann, der eben mit seinem Rucksack in die Wärmestube gekommen war, kurz. Thomas Fuchs blickt auf und meint lächelnd: „Erst mal guten Morgen!“ Der Mann auf der anderen Seite der Theke lächelt nicht. Das ist so gar nicht seine Art. Immerhin murmelt nun auch er: „Guten Morgen!“ Thomas Fuchs reicht ihm einen Kaffee. Der Mann verkrümelt sich in eine Ecke der Wärmestube. Zieht ein Handy hervor. Vertieft sich in das Gerät. Trinkt seinen Kaffee. Reden mag er nicht.
Seit Januar engagiert sich Thomas Fuchs ehrenamtlich in der Einrichtung der Würzburger Christophorus-Gesellschaft. Rund 15 Freiwillige sind augenblicklich hier aktiv. Auch in anderen Einrichtungen der gemeinnützigen GmbH helfen Bürger aus freiem Antrieb mit. Zum Beispiel in der Bahnhofsmission. Einige sind klassische Ehrenämtler. Daneben gibt es junge Leute, die ein Studienpraktikum ableisten. Einmal im Jahr wird ein „Willkommenstag“ für alle Volunteers organisiert. Am 29. Oktober findet der nächste statt. Dann erhält Thomas Fuchs Einblick in Felder der Christophorus-Gesellschaft, die er bislang noch nicht kennt.
Sein Ehrenamt gefällt dem 71-Jährigen außerordentlich gut. An jedem Donnerstag hilft er von 10 bis 13 Uhr in der Wärmestube mit. Er schenkt Kaffee aus. Reicht etwas zu essen. Oder Rasierzeug. Hat er Zeit, setzt er sich zu den Gästen an den Tisch, um sich zu unterhalten. Nie dringt er in ihr Leben ein. Es ist für den ehemaligen Inhaber einer freien Kfz-Werkstatt egal, warum jemand auf der Straße landete. Oder unter äußerst prekären Umständen lebt. Er lässt sich auf ganz normale Gespräche ein: „Gestern hat mir jemand von seiner Lieblingskneipe in Frankfurt erzählt.“
Durch sein Engagement lernte Thomas Fuchs eine neue Welt kennen. Nicht nur die Wärmestube ist ihm nun vertraut. Er konnte auch ein bisschen hinter die Kulissen der Tafel blicken. Die kommt an jedem Donnerstag, um Lebensmittel vorbeizubringen. Manchmal gibt es Gurken oder Paprika. Die schneidet er dann in der Küche auf. Immer wieder kommt es vor, dass einer der Gäste Hunger hat und fragt: „Gibt es was zu essen?“ Manchmal bereitet Thomas Fuchs dann ein Käse- oder Wurstbrot zu.
Thomas Fuchs ist ein geselliger Mensch. Als er noch in seiner Werkstatt zugange war, liebte er es, mit den Kunden ein wenig zu plaudern. Die unterschiedlichsten Menschen kamen zu ihm. „Da gab es Kunden, die meinten, dass der Wagen repariert werden sollte, ganz egal, was es kosten würde“, erzählt er. Andere waren auf ihr Auto angewiesen. Mussten dringend irgendetwas flicken lassen. Doch in ihrer Kasse war gerade Ebbe: „Ich war dann dankbar, wenn sie mir sagten, dass sie erst in vier Wochen zahlen können, oder dass sie gerne in zwei Raten zahlen würden.“ Damit könne man besser umgehen, als wenn wortlos einfach nicht gezahlt wird.
2021 übergab Thomas Fuchs seine Kfz-Werkstatt nach 30 Jahren der Tochter. Plötzlich entstand eine große Leere in seinem Leben. All die vielen Geschäftskontakte brachen weg. Thomas Fuchs setzte sich an den Computer und suchte über das Internet nach einem spannenden Ehrenamt im sozialen Bereich. Zunächst stieß er auf die Bahnhofsmission. Doch dort sah er sich nicht. Dann kam er in Kontakt mit der Wärmestube. Ende 2023 arbeitete er dreimal probeweise mit. Und entdeckte: „Das gefällt mir richtig gut!“ Seither lernte der Rentner jede Menge interessanter Menschen kennen. Gäste. Aber auch andere Ehrenamtliche aus dem Freiwilligen-Team.
Mit seinem Engagement geht er nicht hausieren. Aber natürlich erwähnt er hier und da, was er macht: „Kann ich zu einem Termin nicht gehen, weil ich Dienst in der Wärmestube habe, sage ich, warum gerade keine Zeit ist.“ Erzählt er davon, dass er sich ehrenamtlich um Menschen kümmert, die auf der Straße leben, erntet er stets Lob und Bewunderung. Nicht jeder kann das. Nicht alle können sich vorstellen, ganz locker und normal mit einem Obdachlosen umzugehen. Oder mit Menschen aus dem benachbarten Kontaktcafé, die harte Drogen konsumieren.
Manchmal ist das, was er macht, schon anspruchsvoll, räumt der Ehrenamtliche ein. Er denkt an einen Gast, der unter Verfolgungswahn leidet. Ständig glaubt er, der Staat wäre hinter ihm her. Ständig fühlt er sich überwacht. Doch solche Leute, sagt Thomas Fuchs, findet man überall. Er erinnert sich an einen Kunden, der grundsätzlich in bar bezahlt hatte. Selbst große Summen. Schriftlich wollte er überhaupt gar nichts haben. Einmal fragte ihn Thomas Fuchs: „Können Sie mir Ihre Handy-Nummer geben, damit ich Sie anrufen kann, wenn der Wagen fertig ist?“ Der Mann schüttelte seinen Kopf. Nein, ein Handy habe er nicht. Er werde den Teufel tun, um sich „gläsern“ zu machen.
Dass es Menschen gibt, die auf der Straße leben müssen, findet Thomas Fuchs schlimm. „Das bedeutet ja nicht nur, dass man keine Wohnung hat“, sagt er. Man hat auch kein Konto. Und nie Geld. Gerade diesen Menschen möchte er das Leben ein kleines bisschen leichter machen: „Mir selbst ging es immer gut und ich habe das Bedürfnis, nun etwas zurückzugeben.“
Bild und Text: Nadia Fiedler, Christophorus-Gesellschaft