„Das ist absolut wichtig!“

Wärmestube verstärkt ihr Engagement für Hygiene und Gesundheit von Obdachlosen

Gerade im Sommer ist es für Obdachlose wichtig, sich duschen zu können. Darauf machten (von links) Julia Abler, Ismail Elhissani und Christian Urban in der Fußgängerzone aufmerksam. Foto: Günther Purlein

Roland C. ist nirgendwo richtig beheimatet. Mal lebt er hier. Mal da. Er schläft im Park. In Unterführungen. Was sich halt ergibt. Ist es richtig heiß, hat der 60-Jährige ein großes Problem: Wo soll er sich waschen? Zumindest in Würzburg kennt er eine Anlaufstelle: In der Wärmestube der Christophorus-Gesellschaft kann er duschen, auch erhält er hier Shampoo, Seife, Einwegrasierer und Handtücher. Wie wichtig dieses Angebot ist, darauf machte die Wärmestube am Samstag in der Würzburger Fußgängerzone aufmerksam.

Gerade in der pandemiebedingten Ausnahmesituation brauchen Menschen ohne Wohnung einen Ort, wo sie sich regenerieren und reinigen können. „In vielen Städten schlossen niedrigschwellige Hilfen“, weiß Einrichtungsleiter Christian Urban von Durchreisenden wie Roland C. In der Wärmestube wird derzeit bis zu zwölfmal am Tag geduscht. Fünf Gäste dürfen sich gleichzeitig in den Räumlichkeiten aufhalten. Sie bekommen einen Kaffee. Kleine Snacks. Können sich austauschen. Und Zeitung lesen.

Bernd A., der eine chronische Hautkrankheit hat, kommt momentan täglich zum Duschen. „Könnte er seine Haut nicht regelmäßig pflegen, würde sie sofort wund“, erklärt Julia Abler, die seit Juli hauptamtlich in der Wärmestube tätig ist. Auch Bernd A. hat kein Zuhause. Er lebt zwar seit längerem in Würzburg. Allerdings draußen. Warum er auf der Straße landete, weiß Abler nicht. Bernd A. erzählt nichts. Muss er auch nicht. Allerdings hat er in letzter Zeit oft geäußert: „Wie gut, dass ich bei euch duschen kann, das ist für mich absolut wichtig!“ Außerdem kann er seine Unterwäsche zum Reinigen dalassen. Im Gegenzug bekommt er frische Wäsche aus einem Notdepot.

Neun der zirka 35 Ehrenamtlichen helfen aktuell mit, Wohnungslose, die durch Würzburg reisen oder die Corona-Krise hier überdauern möchten, bestmöglich zu unterstützen. Die ehrenamtlichen Dienste wurden deutlich reduziert, um vor allem ältere Freiwillige zu schützen. Gleichzeitig wird die Arbeit aufwändiger. Abler: „Wir desinfizieren jedes Mal, wenn ein Gast die Dusche oder die Toilette benutzt hat.“ Dass Julia Abler das Hauptamtlichen-Duo seit zwei Monaten unterstützen kann, entspannt die aktuell herausfordernde Situation. Die Sozialpädagogin packt an. Eingestellt wurde sie für ein medizinisches Modellprojekt.

Menschen, die in dürftigen Verhältnissen leben, leiden überproportional häufig an Krankheiten. Viele haben Depressionen. Manche entwickelten auch eine Angststörung. Suchtkrankheiten sind weit verbreitet. Daneben kommen Lungen- oder Herzleiden sehr häufig vor. Seit 2003 hilft Bruder Tobias von der Würzburger Straßenambulanz Obdachlosen sowie Männern und Frauen, die äußerst prekär leben und oft auch nicht krankenversichert sind. Außerdem kümmern sich drei ehrenamtlich engagierte Ärzte einmal in der Woche um akut erkrankte Wärmestubenbesucher. Diese beiden Angebote werden nun durch das unterfrankenweit einmalige Modellprojekt ergänzt.

Wer wohnungslos ist, dem fällt es schwer, regelmäßig zum Arzt zu gehen. Obwohl das wichtig wäre. Zum Beispiel, um durch eine Blutentnahme zu kontrollieren, ob sich ein verordnetes Medikament eventuell negativ auf die Nieren auswirkt. Julia Abler motiviert chronisch kranke Besucher der Wärmestube, Kontrolltermine beim Arzt wahrzunehmen. Sie begleitet auf Wunsch in die Praxis. Und sorgt vor allem auch dafür, dass Untersuchungen und Behandlungen nicht aus finanziellen Gründen scheitern. Etwa, weil kein Versicherungsschutz besteht.

Abler will der Verschlimmerung von Krankheiten entgegenwirken. Dass dies sehr wichtig ist, hat auch das Bayerische Sozialministerium erkannt: Es fördert das Projekt bis Ende 2021. In den kommenden Monaten ist es dem Team der Wärmestube dadurch möglich, sich noch besser als bisher um kranke Gäste zu kümmern. „Es kommt zum Beispiel immer wieder vor, dass einer unserer Leute in die Klinik muss“, berichtet Urban. Die allermeisten dieser Patienten haben niemanden, der sie besucht. Um Wäsche vorbeizubringen. Und bei Laune zu halten. Das Team der Wärmestube versucht stets, Besuche zu organisieren, stieß bisher jedoch oft zeitlich an seine Grenzen.

Jeder neue Mitarbeiter bringt vielfältige Anregungen mit. So ist das auch im Falle von Julia Abler. Die 24-Jährige sammelte Erfahrungen in der Pflege sowie im Umgang mit seelisch kranken Menschen. Deshalb wurde sie auch für die neue Projektstelle ausgewählt. Neu im Team ist außerdem Ismail Elhissani. Der 25-jährige Student der Sozialen Arbeit stammt aus Marokko. Er spricht fließend Deutsch, Englisch, Arabisch und Französisch und fungiert deshalb oft als Dolmetscher. Außerdem speist er Erfahrungen als Freiwilliger in einem marokkanischen Zentrum für Geflüchtete ein.

Günther Purlein

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