Ein Banker, der den Armen hilft

20 Jahre Christophorus-Gesellschaft: Dem Beirat kommt eine wichtige Bedeutung zu

Setzen sich dafür ein, dass Menschen in Not neue Perspektiven entwickeln können: Günther Purlein, Nadia Fiedler (1. und 3. von links: Geschäftsführung der Christophorus GmbH), Miriam Meder und Erwin Schlereth als Beiratsmitglieder. Bild: F. Arnold

Viele tausend Menschen aus Würzburg profitierten in den vergangenen 20 Jahren von einem ökumenischen Verbund, der am 17. April 2000 unter dem Namen „Christophorus-Gesellschaft“ an den Start ging. Was die Einrichtungen der gemeinnützigen Gesellschaft für Männer und Frauen in Not geleistet haben und leisten, präsentierte Geschäftsführer Günther Purlein soeben dem Beirat der gGmbH. Der trifft sich in der Regel zweimal im Jahr, um über aktuelle Themen zu diskutieren.

Die Christophorus-Gesellschaft kümmert sich um soziale Outsider – um Menschen also, die nicht oder nicht mehr mithalten können, die auf die schiefe Bahn oder durch einen Schicksalsschlag akut in große Not geraten sind. Dabei agieren die Mitarbeiter in einem verzweigten Netzwerk, das weit über den sozialen Bereich hinausgeht. So steht an der Spitze des Beirats auch kein Sozialarbeiter, sondern ein Banker: Erwin Schlereth war bis zu seinem Ruhestand vor sieben Jahren bei der Sparkasse Mainfranken als Gebietsdirektor für das Stadtgebiet Würzburg zuständig.

Wenn sich Banken querstellen, ist es für überschuldete Menschen schwer, ein Pfändungsschutzkonto zu eröffnen. Trotz Rechtsanspruch. „Die Sparkasse Mainfranken ist in dieser Hinsicht vorbildlich, hier existieren tausende sogenannter P-Konten“, so Günther Purlein. Diese P-Konten bedeuten für die Bank einen erheblichen Aufwand. Und zwar ohne Aussicht auf Gewinn. „Verschuldeten Menschen kann man schließlich keine zusätzlichen Finanzprodukte verkaufen“, ergänzt Nadia Fiedler, stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus-Gesellschaft.

Als Non-Profit-Organisation ist die Christophorus-Gesellschaft auf Unterstützer wie Erwin Schlereth dringend angewiesen. Der Kreditexperte bringt seinen finanziellen Sachverstand ein. Und er baut Brücken in die Finanzwelt. Schlereth ist ein Beispiel dafür, dass soziales Bewusstsein nicht vor der Führungsetage einer Bank Halt machen muss. „Der Mensch sollte immer im Mittelpunkt stehen“, unterstreicht der Ruheständler, der sich seit Jahrzehnten auch als Kirchenpfleger engagiert. Gerade überschuldete Menschen benötigten Anlaufstellen wie die Christophorus-Gesellschaft: „Denn Kanzleien, die Schuldnerberatung anbieten, geht es in erster Linie ums Geld.“

Menschen, die nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, können sich keine kostspielige Beratung leisten. Sie sind auf Angebote angewiesen, die sie unentgeltlich und unbürokratisch in. Anspruch nehmen können. Gefördert werden diese Angebote vom Staat und den Kommunen. Aus diesem Grund sind die Beiratsmitglieder Hülya Düber und Miriam Meder wichtige Kooperationspartnerinnen. Hülya Düber ist Sozialreferentin der Stadt Würzburg. Miriam Meder verantwortet im Würzburger Landratsamt den Geschäftsbereich Jugend, Soziales und Gesundheit. Meder ist das jüngste Beiratsmitglied, in dieser Woche nahm sie das erste Mal an einer Beiratssitzung teil.

Wer mutlos ist, sich am Ende seiner Kräfte sieht und keine Perspektive mehr vor Augen hat, dem reicht kein einmaliger Zuspruch und keine singuläre Hilfe. Viele Menschen nehmen die Angebote der Christophorus-Gesellschaft seit etlichen Jahren wahr, für manche gibt es kaum einen Tag im Jahr, in dem sie nicht entweder die Wärmestube oder die Bahnhofsmission aufsuchen. Der Hilfebedarf ist immens und könnte allein durch die Hauptamtlichen niemals gedeckt werden. „In der Wärmestube helfen 40 Ehrenamtliche mit“, berichtete Purlein. Weitere Freiwillige sind in der Bahnhofsmission tätig: „In beiden Einrichtungen werden sie in den Dienstplan eingebunden.“

Menschen, die tief in Schulden stecken, wird nicht nur in der Schuldner- und Insolvenzberatung geholfen. Mitarbeiter der Zentralen Beratungsstelle für Straffälligenhilfe der Christophorus-Gesellschaft gehen regelmäßig ins Würzburger Gefängnis. Viele der 600 Inhaftierten haben einen hohen Schuldenberg abzutragen. Dies kann den Resozialisierungserfolg beeinträchtigen. Weshalb es wichtig ist, noch während der Haftzeit an der Schuldenregulierung zu arbeiten.

Das Team der Christophorus-Gesellschaft hat inzwischen langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Menschen in prekären Lebenslagen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelten seit der Gründung im Jahr 2000 immer wieder neue Projekte, um noch besser helfen zu können. So gibt es seit wenigen Jahren eine Online-Beratung für Angehörige von Inhaftierten. Das soziale Engagement trifft „draußen“ allerdings nicht überall prompt auf Verständnis. „Es geht das Gerücht um, dass soziale Angebote eine Sogwirkung entfalten“, sagt Purlein. Doch das sei tatsächlich nur ein Gerücht: „Die Menschen kommen nicht aufgrund eines ‚Sogs‘ zu uns, sondern weil sie wirklich in Not sind.“

Könnten sie nicht täglich in die Wärmestube oder in die Bahnhofsmission gehen, müssten sie sich im öffentlichen Raum aufhalten. Am Bahnhof zum Beispiel oder im Park. „Ohne uns“, so Nadia Fiedler, „würde das Würzburger Stadtbild völlig anders aussehen.“

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