Ein Zimmer mitten in der Stadt

Neue WG des Johann-Weber-Hauses will Erfolgsquote der Rehabilitanden erhöhen

Brigitte Abt erkundigt sich bei einem Besuch bei Edgar Bartels, wie es ihm in der dezentralen WG geht. Bild: Günther Purlein

Viele tausend Euro hat Edgar Bartels schon verzockt. Gegen die Spielsucht anzukämpfen, war schwer gewesen. Doch der 45-Jährige hat es endlich geschafft: „Ich spiele schon seit zwei Jahren nicht mehr.“ Und das, obwohl er seit kurzem mitten in der Stadt in unmittelbarer Nähe mehrerer Spielsalons lebt. Im Dezember zog der Klient des Johann-Weber-Hauses in die neue, dezentrale Wohngemeinschaft der Christophorus-Einrichtung für ehemals Wohnungslose und Strafentlassene.

„Das hier ist purer Luxus“, schwärmt Bartels und schaut sich in seinen vier Wänden um. Die WG ist tipptopp eingerichtet. Die drei Zimmer sind groß. Vor allem ist die Lage traumhaft. Bartels geht die Treppe hinunter, macht die Haustüre auf – und ist mitten im Leben. Zur Arbeit marschiert er gerade einmal 15 Minuten. Straßenbahnen fahren quasi von der Haustüre in die verschiedenen Stadtteile ab.

Auch das Johann-Weber-Haus, meint der ehemalige Zeitsoldat, liegt zentral. Nämlich direkt am Hauptbahnhof. Dennoch sei es etwas anderes, morgens eine stationäre Einrichtung zu verlassen. Irgendwie hat man immer das Gefühl, dass die Menschen auf der Straße, denen man beim Hinausgehen begegnet, denken: Aha, der lebt also auch in diesem Haus! Verlässt Bartels nun seine Wohnung, käme niemand auf die Idee, zu denken, dass er, wie er selbst sagt, einmal „tief unten“ war.

Heute ist der gepflegte Mittvierziger in einer Bildungseinrichtung als Haustechniker beschäftigt. Nach Feierabend macht er sich in der WG zu schaffen, trifft Freunde oder geht schwimmen. Damit, so Brigitte Abt, Leiterin des Johann-Weber-Hauses, fällt er genau in die Zielgruppe für das neue Angebot. Die zentrale WG ist für Männer gedacht, die ihr Leben wieder so weit im Griff haben, dass sie einer Beschäftigung nachgehen, eine Wohnung in Schuss halten und ihre Freizeit gestalten können.

Dass er all dies heute selbstverständlich kann, hat Edgar Bartels dem Team des Johann-Weber-Hauses zu verdanken. Hier fand er Gesprächspartner, mit denen er über die vielen „Baustellen“ in seinem Leben sprechen und mit deren Hilfe er seine Probleme aufarbeiten konnte. Denn da war nicht nur die Spielsucht. Auch über seine Familie konnte Bartels erstmals reden. Als Kind, berichtet der gelernte Kfz-Mechaniker, wuchs er bei seiner Oma auf. Seine Mutter lernte er erst im Erwachsenenalter kennen. Der Vater starb früh. All das wühlte in ihm, ohne das er darüber hätte sprechen können.

Auf der Straße landete der gebürtige Bremer vor zwei Jahren wegen der Eigenbedarfskündigung seines damaligen Vermieters. Während der Kündigungsfrist fand er keine Wohnung, die er sich hätte leisten können: „Kurzfristig ist das in Würzburg unmöglich.“ 21 Tage lebte er im Sommer 2016 unter freiem Himmel. Nachts suchte er sich irgendwo in Bahnhofsnähe eine Schlafstelle. Über die Kurzzeitübernachtung der Christophorus-Gesellschaft kam er für sieben Monate auf den Simonshof. Danach wechselte er ins Johann-Weber-Haus.

Alle Männer, die hier sozial rehabilitiert werden, haben Heftiges hinter sich. Die meisten erleben die Einrichtung ähnlich wie Edgar Bartels: Hier finden sie Menschen, mit denen sie ihre vielfältigen Problemen angehen können. Allmählich stabilisieren sie sich. Der Übergang ins „normale“ Leben allerdings ist nicht einfach. Plötzlich sind wieder alle Versuchungen und Klippen da, denen man zuvor ausgesetzt war. Die dezentrale WG, in der die Klienten nach wie vor Kontakt zu den Sozialarbeitern des Johann-Weber-Hauses haben, soll den Übergang erleichtern. Und damit Rückfälle verhindern.

Edgar Bartels plant, im Juni aus der WG auszuziehen und danach wieder ein komplett selbstständiges Leben zu führen. „Bald gehe ich auf Wohnungssuche“, sagt er. Auch wäre es gut, wenn er einen Job finden würde, bei dem er mehr Stunden arbeiten und damit mehr verdienen könnte. Dann könnte er sich auch endlich einen professionellen Tischtennisschläger kaufen. Wie früher in Norddeutschland in einem Verein Tischtennis zu spielen, das wäre Bartels großer Wunsch.

Günther Purlein

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