Einer, der es prompt geschafft hat

Christophorus-Gesellschaft hilft beim Übergang vom Gefängnis in den Alltag

Werner Schühler hilft Männern, die aus der JVA entlassen wurden, wieder gesellschaftlich Fuß zu fassen. Foto: Günther Purlein

Im Normalfall dauert es lange, bis die ehemaligen Gefangenen aus dem ambulant-betreuten Wohnen der Christophorus-Gesellschaft wieder Fuß fassen. Sie, die monatelang hinter Gitter saßen, haben es schwer, einen Job sowie eine Bleibe zu finden. Nicht so Heinz G. Anfang Oktober 2019 kam der 36-Jährige direkt aus der JVA ins Betreute Wohnen. Er hatte vom ersten Tag an einen gut bezahlten Job als Berufskraftfahrer. Und schaffte es am 1. Mai, in eigene vier Wände einzuziehen.

Heinz G. ist nicht mehr derselbe wie vor drei Jahren, als er inhaftiert wurde. Hinter Gittern hat er viel nachgedacht. „Früher habe ich ein Lotterleben geführt“, gibt er unumwunden zu. Das will er nicht mehr. Wobei es gar nicht so einfach ist, eingeschliffene Gewohnheiten aufzugeben. Heinz G. ist es mit Hilfe von Werner Schühler, Leiter der Zentralen Beratungsstelle für Straffällige (ZBS) der Christophorus-Gesellschaft, gelungen, neue Perspektiven für sein Leben zu finden. Die beiden Männer lernten sich bereits in der Justizvollzugsanstalt kennen. „Ich habe Heinz G. eineinhalb Jahre im Gefängnis begleitet“, berichtet Schühler.

Heute kann Heinz G. es nicht mehr in Ordnung finden, wie er früher gelebt hat. Wegen Betrügereien kam er ins Gefängnis. Die Strafe ist nun abgebüßt. Doch mit den Folgen hat der junge Mann aus Ostdeutschland immer noch zu kämpfen. „Ich habe bei fast 100 Gläubigern 800.000 Euro Schulden“, sagt er. Auch hier unterstützt ihn die gemeinnützige Christophorus-Gesellschaft. Die verfügt nicht nur über eine Anlaufstelle für Männer, die aus dem Gefängnis entlassen werden. Auch Überschuldete finden Hilfe. Bereits, während er in Haft war, wandte sich Heinz G. an die Schuldnerberater, und bereitete mit ihnen ein Privatinsolvenzverfahren vor.

Obwohl er als Fernfahrer gut verdient, kann Heinz G. kein Luxusleben führen. Denn die Schulden müssen ja zumindest zum Teil beglichen werden. Vor zwei Wochen ging es ihm finanziell richtig schlecht: „Mein Konto wurde gepfändet.“ Plötzlich stand er ohne einen Cent da. Wie gut, dass es die ZBS gibt: Heinz G. kontaktierte das Team der Beratungsstelle, schilderte seine Bredouille, und erhielt leihweise aus einem Notfonds so viel Geld, dass er in den nächsten Tagen über die Runden kam: „Das war völlig unkompliziert.“

Noch ist die Freiheit für Heinz G. eine zarte Pflanze. Der junge Mann weiß, wie schnell man wieder auf die schiefe Bahn geraten kann: „Im Gefängnis sah ich Männer, die nur acht Wochen nach ihrer Entlassung wieder zurückgekommen sind.“ Damit ihm das nicht passiert, sind ihm die Gespräche mit Werner Schühler so wichtig. Ohne die Nachbetreuung, gibt Heinz G. zu, würde er sich nicht gut fühlen. Die beiden Männer treffen sich regelmäßig am Samstag. Denn unter der Woche ist Heinz G. auf der Straße. Was er auch sehr liebt: „Ich habe Benzin im Blut.“

Heinz G. ist mit verschiedenen Trucks schon durch ganz Deutschland kutschiert. Der Laster ist sein Arbeitsplatz. Sein Ruheraum. Und sein Nachtquartier: „Ich schlafe da viel besser als in meiner neuen Wohnung.“ Weshalb er sich an jedem Montag darauf freut, wieder abdüsen zu können. Einen gravierenden Nachteil jedoch hat sein Job: „Man kann keine Beziehungen aufbauen.“ Heinz G. war noch nie verheiratet. Er hat auch aktuell keine Lebensgefährtin. Ebenso fehlt es an einem Freundeskreis. Genau deshalb ist Werner Schühler für ihn so wichtig. Mit ihm kann er über alles sprechen. Und wenn er am Freitagabend heimkommt, gibt es viel, was Heinz G. gern bereden würde.

Mit seiner Arbeit gelingt es Werner Schühler, die Quote der Rückfälligen zu senken. Sehr wichtig ist es dabei nach den Worten des Sozialarbeiters, eine für den Klienten geeignete Hilfe anzubieten. Heinz G., der bereits 2011 einmal in Halle inhaftiert war, hatte damals nach der Entlassung nicht bekommen, was er gebraucht hätte. Er kam in eine Einrichtung, die für ihn genauso „Knast“ war wie jener Knast, aus dem er gerade entlassen worden war. Heinz G. musste an Gesprächs- und Arbeitsgruppen teilnehmen. Das hasste er. Auch fühlte er sich durch die Regeln, die in dieser Einrichtung geherrscht hatten, in seiner neu gewonnenen Freiheit massiv eingeschränkt.

Heinz G. ist kein Jasager. Er hat seinen eigenen Kopf. Seine eigenen Pläne. Frei zu sein, ist für ihn etwas immens Wichtiges: „Wenn mich jemand festhalten will, verschwinde ich.“ Werner Schühler war klar, dass für Heinz G. als Maßnahme zur Resozialisierung nur das Betreute Wohnen in Frage kommt. „Wir vermieteten an ihn eine unserer vier Wohnungen, die wir vom Bayerischen Landesverband für Gefangenfürsorge und Bewährungshilfe zur Verfügung gestellt bekommen“, berichtet er. Noch am Tag seiner Haftentlassung konnte Heinz G. einziehen.

Wie intensiv ein ehemaliger Gefangener betreut wird, richtet sich nach dessen individuellem Bedarf. Manche der zehn Männer, die derzeit im Betreuten Wohnen leben, erhalten wöchentlich von Schühler Besuch. So viel Unterstützung war bei Heinz G. nie nötig. Wobei sich der Fernfahrer immer freut, wenn er Werner Schühler sieht.

Günther Purlein

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