Endlich Fuß fassen können

Christophorus-Gesellschaft bittet um Umzugs- und Nothilfe für Klienten mit wenig Geld

Würzburg. Hans Sell ist glücklich. Endlich fand der ehemalige Häftling eine Wohnung. Auf die Freude folgte aber erst mal Ernüchterung. „Unser Klient weiß nicht, wie er den Umzug finanzieren soll“, sagt Werner Schühler von der Christophorus-Gesellschaft. Dieses Problem haben immer mehr Männer, die von Schühler und seinen Kollegen Hilfe erhalten. Deshalb richtete die Christophorus-Gesellschaft ein neues Spendenkonto ein. Mit der Evangelischen Bürgerstiftung konnte ein erster Zuwender gewonnen werden.

Ein Jahr lebte Hans Sell im Betreuten Wohnen der Christophorus-Gesellschaft. In dieser Zeit gelang es, sich zu stabilisieren. Sein großer Wunsch war es, wieder ganz normal zu leben – von eigenem Geld, in eigenen vier Wänden. „Er fand während des betreuten Wohnens schließlich einen Job bei einer Zeitarbeitsfirma“, berichtet Werner Schühler, der die Zentrale Beratungsstelle für Strafentlassene der Christophorus-Gesellschaft leitet. Dort verdiente Sell den Mindestlohn. Das reichte, um über die Runden zu kommen. Geld zurückzulegen, war ihm nicht möglich.

Wie viele Probleme ein Umzug bereitet, hätte Hans Sell nie gedacht, als er endlich die Zusage für eine kleine Wohnung erhielt. „Unser Klient besitzt rein gar nichts“, schildert Michael Thiergärtner, Leiter der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose. Er muss sich nun ein Bett, eine Matratze, Schränke, einen Kühlschrank, Tisch und Stühle beschaffen. Die Küche muss abgelöst werden, Fernseher, Staubsauger, Lampen, Besen und Putzmittel sind zu kaufen. Der neue Vermieter will eine Kaution. Die Möbel müssen transportiert werden.

Schließlich benötigt Hans Sell Geld für ein paar Leute, die mit anpacken. „Freunde, die ihm beim Umzug helfen, hat er nicht“, sagt Michael Thiergärtner. So geht es den meisten Klienten der Christophorus-Gesellschaft: Sie verfügen über kein soziales Netz, sind völlig auf sich gestellt. Einen einzigen Kumpel hat Hans Sell, den er ab und zu trifft. Der hatte ihm eigentlich auch versprochen, beim Umzug zu helfen. Doch zum verabredeten Zeitpunkt tauchte er nicht auf.

Fast jeden Monat gelingt es einem Klienten der Christophorus-Gesellschaft, eine feste Bleibe zu finden. Jedes Mal bedeutet es für die Mitarbeiter der Organisation eine immense Herausforderung, Quellen aufzutun, um den Umzug zu finanzierten. Nicht selten packen die Sozialarbeiter Werner Schühler, Michael Thiergärtner und Berit Kemper selbst mit an, um den Umzug über die Bühne zu bringen. Pro Umzug klafft im Durchschnitt eine finanzielle Lücke von 1.000 Euro. Die Evangelische Bürgerstiftung übergab nun 3.200 Euro an die Zentralen Beratungsstellen für Strafentlassene und für Wohnungslose, um weiteren Menschen zu helfen, aus dem Betreuten Wohnen auszuziehen.

Geld ist auch nötig, damit die Klienten in der Wohnung bleiben können. Die meisten haben keine Rücklagen, um sich ein Gerät, das kaputt ging, neu zu beschaffen oder es reparieren zu lassen. „Auch laufen immer wieder Energieschulden auf“, sagt Werner Schühler. So war es bei Ernst Reimer. 220 Euro schuldet der 63-Jährige seinem Energieversorger. Reimer lebt von Grundsicherung, was bedeutet, dass er 404 Euro im Monat zur Verfügung hat. Das Jobcenter wäre zwar bereit, ihm ein Darlehen zu gewähren. Doch das müsste er abstottern. Was mit 404 Euro kaum möglich ist.

Vom neuen „Nothilfe“-Konto sollen Menschen wie Hans Sell und Ernst Reimer unterstützt werden, um zu verhindern, dass sie in eine Schuldenspirale oder, noch schlimmer, abermals in Wohnungslosigkeit oder Kriminalität abstürzen. Alle Klienten wurden im Betreuten Wohnen, in der Reha-Einrichtung Johann-Weber-Haus, in der Wärmestube und der Bahnhofsmission der Christophorus-Gesellschaft lange stabilisiert, es gelang, neue Perspektiven zu eröffnen. Die Männer dann, wenn sie endlich Fuß gefasst haben, fallen zu lassen, wäre laut Thiergärtner und Schühler unverantwortlich. Und würde den bisher erfolgreichen Resozialisierungsprozess empfindlich gefährden.

Gespendet werden kann unter dem Stichwort „Nothilfe“ auf folgendes Konto bei der Liga-Bank: DE38 7509 0300 0003 0018 81, BIC GENODEF1M05.

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