Früher gab’s Ente à la orange
Christophorus-Gesellschaft sucht ab sofort “Essenspaten” für die Wärmestube

21.03.2025
In der Wärmestube fühlt sich Bernd pudelwohl. Jeden Tag kommt er hierher. So viel wohler fühlt er sich hier als da, wo er lebt. Wo er momentan leben muss. “Am schönsten ist es, wenn wir zusammen kochen”, sagt der 49-Jährige zu Andrea Dehler, die seit Januar neu im Leitungsteam der Einrichtung der Würzburger Christophorus-Gesellschaft ist. Bernd liebt es zu kochen. Ente à la orange ist sein Lieblingsgericht: “Hab ich das früher gekocht, blieb nichts übrig.” Im Moment hat er zum Kochen keine Gelegenheit.
Durch falsche Freunde kam Bernd auf Abwege, er wurde erwischt, der Justiz ausgeliefert und landete schließlich hinter Gittern. “Seitdem geht alles bergab”, sagt er. Eineinhalb Jahre ist es her, dass er aus der Justizvollzugsanstalt entlassen wurde. Eine Wohnung fand er nicht. Bernd haust seit Ende 2023 in der Würzburger Obdachlosenunterkunft. Das Zimmer muss er mit einem anderen Mann teilen. Die zwei Kochplatten, die zur Verfügung stehen, taugen nichts. Geld, um gute Lebensmittel einzukaufen, hat Bernd sowieso nicht. Gäbe es die Wärmstube nicht, wäre er oft völlig verzweifelt. Er leide sehr unter den Umständen, unter denen er gerade zu leben gezwungen ist, gibt er zu.
So ähnlich wie ihm geht es den meisten Gästen der Wärmestube, alle wohnen prekär und alle haben ihre liebe Not, mit dem Geld klarzukommen. Eben deswegen ist es Andrea Dehler so wichtig, wenigstens zu einer etwas gesünderen Ernährung beizutragen. Dass die neue Kollegin von Einrichtungsleiter Andreas Schick sich diesem Thema verschrieben hat, findet Bonnie klasse. Bonnie ist mit Bernd befreundet. Bernd brachte die junge Frau Ende letzten Jahres zum ersten Mal in die Wärmestube mit. Auch Bonnie ist seitdem fast jeden Tag hier. Nur einmal in der Woche hat sie einen Job. Immerhin. Doch natürlich reicht das, was sie dabei verdient, in keiner Weise für ein gutes Leben aus. Geschweige denn für gutes Essen.
Bonnie weiß, dass eine vollwertige Ernährung ein entscheidender Faktor dafür ist, dass man nicht krank wird. Sie hat auch eine ziemlich genaue Vorstellung, wie sie sich ernähren würde, hätte sie genug Geld: “Ich würde mit einem richtig guten Frühstück in den Tag starten.” Käse würde es geben. Und viel Obst. Zum Mittagessen würde die 37-Jährige auf jeden Fall einen Salat zum Hauptgang verzehren: “Überhaupt würde ich viel Obst und Gemüse essen.”
Reiche Menschen haben heutzutage im Supermarkt die Qual der Wahl. In der Obst- und Gemüseabteilung tummeln sich die exotischsten Früchte. Kiwi. Mango. Passsionsfrucht. Von all dem kann Bonnie nur träumen. Das kann sie sich nicht leisten. Das kann sich niemand aus der Wärmestube leisten. Dank Andrea Dehler gibt es zumindest nun hin und wieder etwas frisch Gekochtes. Oder einen Salat.
Das wird natürlich ohne jede Gängelei angeboten. Mag jemand lieber einen süßen Kissinger statt knackiger Karotten, ist das okay. Wobei Andrea Dehler in den vergangenen Wochen in Sachen Ernährung Überraschendes erlebte. “Foodsharing brachte uns vor einiger Zeit eine ganze Steige voll Brokkoli, ich wusste erst gar nicht, was ich damit anfangen soll”, erzählt sie. Dann kam sie auf die Idee, eine Broccolicremesuppe zu kochen: “Ich hatte keine Ahnung, ob die gegessen würde.” Die neue Einrichtungsleiterin war auf alles gefasst. Bis dahin, dass sie auf der Suppe sitzenbleiben würde. Doch das Gegenteil geschah. Die Männer standen Schlange. Einer sagte mit bewegter Stimme: “Genau so hat es immer bei meiner Mutter geschmeckt.”
Nicht nur bei den Besuchern besteht wenig Handlungsspielraum in Sachen gesunder Ernährung. Auch die Wärmestube selbst kann keineswegs aus dem Vollen schöpfen. Die Einrichtung bräuchte viel mehr Geld, um gesunde Lebensmittel einzukaufen. Doch das Budget ist limitiert. “Wir suchen deshalb ab sofort Essenspaten”, kündigt Andrea Dehler an. Wer Pate werden möchte, kann auf das Konto der Christophorus-Gesellschaft unter dem Betreff “Essenspaten” spenden: “Das Geld wird ausschließlich für gesunde Lebensmittel verwendet.” Wem das lieber ist, der kann auch einen Gutschein vom Supermarkt vorbeibringen. Nur von Lebensmittelspenden rät Andrea Dehler ab. Denn vielleicht ist genau das, was gespendet wird, zufällig im Moment in rauen Mengen da. Während es an Anderem fehlt.
Die Sozialarbeiterin, die vor vielen Jahren schon einmal bei der Christophorus-Gesellschaft beschäftigt war, damals in der Straffälligenhilfe, ist eine innovative Chefin. Sie treibt nicht nur das Thema “Gesunde Ernährung” voran. Weiter hat sie vor, einmal im Monat ein spezielles Gemeinschaftsangebot für die Besucher der Wärmestube sowie für Gäste von außerhalb zu organisieren. Los geht es am 4. April von 16 bis 18 Uhr: “Wir wollen gemeinsam spielen, dazu ist jeder herzlich eingeladen.” Nach einer Stunde Spielzeit darf, wer mag, mit in die Küche gehen und helfen, wahlweise einen Gemüseeintopf oder einen Salat zuzubereiten. Der soll dann am Ende gemeinsam verzehrt worden. Bernd und Bonnie freuen sich schon sehr darauf.
Spendenkonto:
Christophorus-Gesellschaft
IBAN: DE29 7509 0300 0203 0018 81
BIC: GENODEF1M05
LIGA Bank eG
Verwendungszweck: „Essenpaten“
Text & Bild: Nadia Fiedler, Christophorus-Gesellschaft