Handys für einen Euro? Von wegen!

Christophorus-Gesellschaft bietet ab Herbst Schuldenprävention in der JVA an

Nadia Fiedler und Navina De erarbeiten aktuell zwei Kursprogramme zur Schuldenprävention für Frauen sowie für junge Männer in der Würzburger Justizvollzugsanstalt. Bild: Günther Purlein

Würzburg. Das Angebot klang gut und sinnvoll. Nur 50 Euro sollte die Lebensversicherung im Monat kosten. Olivia Krausert (Name geändert) schlug zu. Das Problem: Am Ende des Monats hatte die 35-Jährige das Geld nie übrig. So häuften sich Schulden an. Was die alleinerziehende Mutter irgendwann dazu verleitete, lange Finger zu machen. So kam sie in die Würzburger Justizvollzugsanstalt (JVA). „Kein Einzelfall“, kommentiert Nadia Fiedler von der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft.

Fast 70 Prozent aller Inhaftierten sind dem Dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zufolge überschuldet. Eine Tatsache, die lange kaum beachtet wurde. Seit dem vergangenen Jahr jedoch wird die Schuldensituation eines jeden Inhaftierten in Bayern laut Fiedler bei der Aufnahme erfasst. Außerdem will der Freistaat das Problem der Überschuldung erstmals aktiv angehen, so die stellvertretende Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus-Gesellschaft: „Das Justizministerium bezuschusst ab diesem Jahr Präventionskurse in der JVA.“

Dabei wird mit den Schuldnerberatungsstellen im Freistaat kooperiert. Auch die Beratungsstelle der Christophorus-Gesellschaft erhält Zuwendungen aus dem neuen Förderprogramm. Im November werden die ersten Kurse in der JVA Würzburg starten.

Zwei Zielgruppen gibt es Fiedler zufolge: „Ein Kurs richtet sich speziell an Frauen, ein zweiter an junge Männer bis 25 Jahre.“ Letztere sind besonders gefährdet, sich zu verschulden. Da lockt der Leasingvertrag für ein neues Auto: Nicht einmal 100 Euro müssen dafür im Monat abgedrückt werden! Das klingt wenig, und so wird zugegriffen. „Doch bei einer Ausbildungsvergütung von höchstens 600 Euro im Monat ist dieses Geld nicht aufzubringen“, verdeutlicht Nadia Fiedlers Kollegin Navina De, die sich in der Christophorus-Gesellschaft seit langem für überschuldete Gefangene engagiert.

Junge Menschen sind vor allem deshalb gefährdet, Schulden anzuhäufen, weil sie sich unter starkem Konsumzwang sehen und setzen. Nur mit dem neuesten, coolsten Smartphone glaubt man, in der Clique „was zu sein“. Auch in diesem Sektor klingen die Angebote traumhaft: Für nur einen Euro gibt es ein tolles Modell, das was hermacht! „Doch es wird nicht geschaut, welche laufenden Kosten durch den Vertrag entstehen“, erläutert De. Etwa für die Festnetz- oder SMS-Flat. Überhaupt: Das alte Handy tut doch eigentlich noch gute Dienste. Muss man sich denn unbedingt ein neues anschaffen?

Für Navina De und Nadia Fiedler ist Schuldenprävention in der JVA ein wichtiger Baustein, um straffällig gewordene Menschen davor zu bewahren, neuerlich mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. „Schulden und Straffälligkeit hängen eng zusammen“, unterstreicht Fiedler. Wer chronisch klamm ist, wird eher dazu verleitet, im Laden etwas mitgehen zu lassen oder wiederholt schwarz zu fahren als ein Mensch mit stets gut gefülltem Portemonnaie: „Auch zu Drogenverkauf oder Kurierdiensten kann es aufgrund von Schulden kommen.“

Kosten- und Vertragsfallen zu erkennen, sensibel werden für das Kleingedruckte in der Werbung sowie ein Gefühl dafür zu erhalten, wie weit das zur Verfügung stehende Monatsbudget reicht - um all diese Themen wird es in den Kursen gehen. Das Präventionsangebot ist interaktiv angelegt. Die jeweils acht bis zehn Teilnehmer werden sich die Themen also weitgehend selbst erarbeiten. Navina De: „Was viel wirksamer ist, als Wissen durch Frontalunterricht zu vermitteln.“

Ganz praktisch lernen die Gefangenen zum Beispiel, ein Haushaltsbuch zu führen, um einen Überblick zu bekommen, was nach Abzug von Miete, Strom, Gas und Wasser monatlich zum Leben zur Verfügung steht. Welche Versicherungsprämien fallen insgesamt an? Wie hoch ist die Gesamtsumme für Vereinsbeiträge und Mitgliedschaften pro Monat? Welche Kredite müssen aktuell bedient werden? Frauen erfahren außerdem, wie sie durch Sozialkaufhäuser, Flohmärkte und Kleiderbörsen günstig an Kleidung für ihre Kinder kommen können.

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Alexander Kempf, Student der Sozialen Arbeit an der Würzburger Fachhochschule, der sich in seiner Bachelorarbeit mit dem Thema „Schuldenprävention in der JVA“ befasst.

Günther Purlein

Zurück