Inhaftierte fragen – JVA-Beirat Purlein antwortet

Was sind Aufgaben und Interessen?

Frage: Guten Tag Herr Purlein, könnten Sie sich bitte vorstellen und erklären, wie Sie zu Ihren Aufgaben gekommen sind?

Purlein: Gerne, mein Name ist Günther Purlein.

Seit 1974 gibt es in Würzburg eine Zentralstelle für Wohnungslose (früher Nichtsesshafte). Ich konnte 1978 im ökumenischen Dienst (katholische Caritas und evangelische Diakonie) anfangen und habe 1979 nach München und Nürnberg die dritte bayerische Zentrale Beratungsstelle für Strafentlassene in Würzburg eröffnen dürfen. Sehr schnell wurde klar, dass die damals sogenannten Entschuldungshilfen für Strafgefangene nicht ausreichten. Eine professionelle Schuldnerberatung musste installiert werden, um die damals wie heute dringenden finanziellen Fragen zu besprechen und Lösungen während der Haftzeit zu beginnen. Unser neues Projekt wird nicht-krankenversicherte Menschen in Stadt und Landkreis Würzburg beraten und begleiten.

1984 konnte ich die erste bayerische Schuldnerberatung in Würzburg eröffnen. Die finanziell-rechtliche Beratung in der JVA Würzburg und Schweinfurt kam in den nächsten Jahren dazu. Erneut wurde schnell klar, dass auch das nicht ausreichend war und ein trotz Überschuldung neuer Start (ohne Schulden) nur über eine reformierte Konkursordnung sinnvoll ist. Diesmal dauerte es nicht 5 Jahre bis zum nächsten Schritt, sondern lange 15 Jahre. Die neue Insolvenzordnung ist zum 1.1.1999 in Kraft getreten und bietet (nach erneutem Kampf) auch Strafgefangenen die Möglichkeit ein Insolvenzverfahren zu beantragen, auch während der Haftdauer. Dabei hilft Ihnen Navina De und Nadia Fiedler. In den letzten 20 Jahren habe ich die Zusammenfassung der gesamten Arbeitsgebiete in einer GmbH, der Christophorus-Gesellschaft, in die Wege geleitet und bin deren Geschäftsführer.

Frage: Was ist der Anstaltsbeirat? Wie wird man Mitglied?

Purlein: Der Bayerische Landtag wählte am 11. Dezember 2018 die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Anstaltsbeiräte

bei den Justizvollzugsanstalten bis Herbst 2023. In Würzburg sind das MdL Manfred Ländner und MdL Kerstin Celina. Jede JVA in Bayern hat einen eigenen Anstaltsbeirat. Ergänzt wird das Gremium bspw. durch kommunale Mandatsträger als Beisitzer. In der JVA Würzburg-Schweinfurt sind das der Schweinfurter Sozialreferent Jürgen Montag, die Würzburger Sozialreferentin Dr. Hülya Düber und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Würzburg Stefan Beil. Ich bin im Beirat für die evangelische Kirche mit ihrer Diakonie und der katholischen Kirche mit ihrer Caritas und was praktisch ist als Chef des Christophorus-Personals, das Sie in der JVA besucht und auch nach der Haftentlassung begleitet, falls Sie dann in Würzburg oder im Landkreis wohnen. Wohnen? Fragen beantwortet Werner Schühler, der die Christophorus-Beratungsstelle für Strafentlassene leitet.

Frage: Wie oft trifft sich der Anstaltsbeirat? Wofür ist er da?

Purlein: Mindestens zwei Mal pro Jahr. Der Beiratsvorsitzende lädt ein und der Chef der JVA, Robert Hutter, organisiert die Sitzungen und berichtet von Vorkommnissen, Baumaßnahmen und allem, was dazu gehört.

Der Beirat kann Stellung beziehen zu den Problemen der Gefangenen und ebenso ist er auch für das gesamte Personal der JVA Ansprechpartner. Personalengpässe sind ein häufiges Thema, welches die Landtagsabgeordneten mit nach München nehmen, um Abhilfe zu schaffen. Von den Gefangenen wird oft die Essensqualität bemängelt, was dazu führt, dass der Beirat nach der Vormittagssitzung das gleiche Essen in der Mittagspause testen darf.

Frage: Wie oft sind Sie in der JVA Würzburg?

Purlein: Ich bin durch meine Geschäftsführertätigkeit mit verschiedenen Arbeitsfeldern recht oft in der JVA Würzburg und Schweinfurt. In Sonderfällen schalte ich mich auch in die Beratung ein (bspw. sehr umfangreiche Insolvenzverfahren).

Frage: Wie können Gefangene mit Ihnen bei Bedarf in Kontakt treten?

Purlein: Am schnellsten mit dem gleichen Antragsschein, mit dem Sie auch meine Beratungsprofis „bestellen“ können. Sollte es Ihnen um mehr Vertraulichkeit gehen und Sie Ihre Anfrage zu Papier bringen wollen, dann schreiben Sie auf den Postausgang/Briefumschlag „Vertraulich/Post für Anstaltsbeirat“, dann wird dieser Brief in der JVA nicht gelesen. Auch meine schriftliche Antwort erhalten Sie ungeöffnet, wenn ich Ihnen als Anstaltsbeirat antworte.

Frage: Möchten Sie noch etwas ergänzen?

Purlein: Ja, noch eine Kleinigkeit. Ich bin seit 35 Jahren in drei Hochschul-Fakultäten unterwegs. Immer wieder habe ich Doktorarbeiten begleitet, Forschung unterstützt, Abschlussarbeiten von Studiengängen angeregt. Hilfreich ist hierbei der kriminologische Dienst des bayerischen Justizvollzugs (in der JVA Erlangen), der 2009 durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz eingerichtet wurde, denn auch das steht im Bayer. Strafvollzugsgesetz, dass Ergebnisse aus diesen Hochschularbeiten für die Weiterentwicklung und für die Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar gemacht werden sollen.

 

Das Interview mit Günther Purlein wurde Ende Juni 2020 geführt.  Es steht hier zum Download bereit.

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