„Jeden Tag passiert viel“

Christophorus-Gesellschaft organisiert Willkommenstag für neues Personal

Werner Schühler (links), der bei der Christophorus-Gesellschaft Strafentlassene berät, zeigt Andreas Hausknecht und Marleen Kuntze, beides Studierende der Sozialen Arbeit, die Zimmer in der Kurzzeitübernachtung. Foto: Günther Purlein

In der Wärmestube mitzuarbeiten, stellt für Tim Pfeuffer eine reizvolle Aufgabe dar. Jeder Tag ist anders: „Und an jedem Tag passiert sehr viel“, sagt der Student der Sozialen Arbeit, der sein Praxissemester in der Anlaufstelle der Christophorus-Gesellschaft ableistet. Die Wärmestube ist eine von mehreren Einrichtungen der ökumenischen GmbH. Wohin sich Menschen in sozialen Schwierigkeiten sonst noch wenden können, erfuhr Pfeuffer beim diesjährigen Willkommenstag für neue Beschäftigte.

Für manche Gäste ist die Wärmestube quasi ihr Wohnzimmer. „Sie verbringen den ganzen Tag bei uns, trinken Kaffee oder lesen Zeitung“, hat Pfeuffer seit April erfahren. Auf Gespräche haben diese Besucher oft keine große Lust: „Und es wird bei uns auch niemand zum Kontakt gezwungen.“ Die Wärmestube ist eine sogenannte niedrigschwellige Einrichtung. Man kann kommen, ohne seinen Namen angeben zu müssen. Ohne irgendetwas von sich preiszugeben. Wer möchte, bekommt konkrete Hilfe. Wer nur da sein will, darf das.

Die Besucher der Wärmestube leben meist in schlichten Verhältnissen. Sie haben nicht viel Geld. Einige sind in einer Verfügungswohnung untergebracht. Manche sogar obdachlos. Wollen sie nicht draußen schlafen, können sie in die Kurzzeitübernachtung (früher: Herberge zur Heimat) der Christophorus-Gesellschaft kommen. „Dieses Angebot allerdings ist nicht so niedrigschwellig wie die Wärmestube oder die Bahnhofsmission“, erklärte Werner Schüler, zuständig für die Strafentlassenenhilfe bei der Christophorus-Gesellschaft, den Neuen. Um ein Bett zu bekommen, muss man seinen Namen angeben.

Jeder, der in die Übernachtung kommt, hat einen Platz sicher. Auch nachts. Am nächsten Morgen gibt es Frühstück. Danach begeben sich die meisten Übernachter einen Stock höher, um sich in der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose und Strafentlassene ihren Tagessatz auszahlen zu lassen. „Wir haben ein großes Stammpublikum“, so Schühler. Manche Männer kommen seit vielen Jahren Monat für Monat in die Würzburger Wohnungslosenhilfe. Die Resonanz auf das Angebot ist nicht zuletzt deshalb groß, weil es den Tagessatz hier  unbürokratisch gibt.

Durch die Praktika erfahren die jungen Leute, ob Sozialarbeit wirklich ihr Traumjob ist. Konstanze Dick, die ihr Praxissemester in der Bahnhofsmission verbringt, ist sich sehr sicher, dass sie Sozialarbeiterin werden möchte. Gewissheit gab ihr nicht zuletzt ein zweijähriger Aufenthalt in Chicago, wo sie nach dem Abi freiwillig in der Obdachlosenhilfe tägig war. Der Einsatz in der Bahnhofsmission gefällt der Studentin wegen des tollen haupt- und ehrenamtlichen Teams gut: „Ich wurde sehr herzlich aufgenommen.“ Gerade das hohe ehrenamtliche Engagement schätzt Dick: „Weil jeder aus einem anderen Berufsfeld kommt, gibt es verschiedene, interessante Blickwinkel auf Probleme.“

Die Bahnhofsmission erlebt Konstanze Dick als einen Ort der Solidarität. Solche Orte zu schaffen und zu unterhalten, hält die junge Frau für wichtig, denn in der Gesellschaft, hat sie sowohl in den USA als auch in Deutschland erlebt, geht es meist sehr wenig solidarisch zu. „Man muss reinpassen, und wer Schwierigkeiten hat, sich anzupassen, der scheitert sehr schnell“, erfuhr die angehende Sozialarbeiterin. Das fange schon in der Schule an. Nur wer gute Noten schreibt, kommt weiter. Später seien Scheine, Zeugnisse und Zertifikate „Türöffner“. Wer das Geforderte nicht bringen kann, bleibt auf der Strecke: „Individuelle Stärken spielen in unserem System leider keine große Rolle.“

Seinen ursprünglichen Beruf habe er bald nur noch höchst ungern getan, erzählte Stefan Gackstatter, der sich nach seiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann entschloss, noch mal Soziale Arbeit zu studieren. Denn das sei „sein Ding“. Das Praxissemester leistet Gackstatter seit Anfang Oktober im Johann-Weber-Haus ab. In dieser stationären Einrichtung werden ehemals Wohnungslose und Strafentlassene sozialtherapiert.

Für Gackstatter ist es spannend, nach und nach in ein für ihn fremdes Tätigkeitsfeld hineinzuwachsen. Bisher war der 27-Jährige in der Behindertenhilfe tätig: „Seit drei Jahren engagiere ich mich nebenberuflich für Kinder mit Handicap.“ Das Studium der Sozialen Arbeit reizte den Musiker wegen des großen Spektrums an möglichen Einsatzfeldern. Durch das Praktikum erhofft er sich Aufschluss darüber, wo er sich später einmal einbringen möchte. Eher in der Behindertenhilfe. Oder in der Hilfe für Wohnungslose und Strafentlassene: „Am allerliebsten würde ich Musik und Soziale Arbeit verbinden.“

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