„Keiner darf weggedrängt werden“

Wärmestube stand im Mittelpunkt des diesjährigen Christophorus-Tags

Caritasdirektor Wolfgang Kues zeichnet vier ehrenamtliche Mitarbeiterinnen der Wärmestube aus – im Bild von links: Barbara Scheidl, Erna Schleifer, Ulrike Noje, Brigitta Pape

Würzburg. In den allerersten Tagen nach der Öffnung hielt sich der Andrang in Grenzen. „Wo bleiben die Besucher bloß?“, fragte sich das Team der Würzburger Wärmestube 1997. An Plätzen, wo sich wohnungslose Menschen aufhielten, machten die Mitarbeiter auf die neue Anlaufstelle aufmerksam. Bald sprach sich herum, wie offen, herzlich und ganz ohne Gängelei es hier zugeht. Heute könnten sich die Besucher „ihre“ Wärmestube nicht mehr aus Würzburg wegdenken, wurde bei der Jubiläumsfeier am Montag deutlich.

Die Wärmestube in der Rüdigerstraße ist seit 20 Jahren eine Anlaufstelle der Christophorus-Gesellschaft für wohnungslose Männer und Frauen sowie für Menschen in psychosozialen Notlagen. Beim Christophorus-Tag, den die ökumenische GmbH jedes Jahr am 24. Juli feiert, stand der Tagesaufenthalt diesmal im Mittelpunkt. Die Wärmestube leistet laut Dekanin Edda Weise hervorragende Arbeit. „Der Christophorus-Tag wiederum vergegenwärtigt uns, warum wir als Kirche, Diakonie und Caritas die Christophorus-Gesellschaft so gerne tragen und ihre vielfältigen Arbeitsfelder unterstützen“, betonte sie in ihrem geistlichen Impuls.

In der Wärmestube werden nicht nur Grundbedürfnisse wie Ernährung und Hygiene abgedeckt, so die Theologin: „Die Einrichtung sorgt vor allem dafür, dass keiner weggedrängt wird.“ Gleichzeitig wirke sie als eine Art Seismograf: „Hier werden gesellschaftliche Umbrüche am allerschnellsten gespürt.“ Und zwar von einem Team, dessen Professionalität immer wieder in Erstaunen versetze.

Die Wärmestube wurde mit dem Ziel gegründet, Menschen in prekären Lebenslagen eine Grundversorgung anzubieten und gleichzeitig ihre Reintegration zu fördern, erinnerte Bernhard Christof vom Förderverein. Als es vor 20 Jahren darum ging, einen geeigneten Standort zu wählen, ging man bewusst auf die Suche nach einem Ort in der Innenstadt. „Wir wollten randständige Menschen in unsere Mitte nehmen“, so der Referent für  Gefährdetenhilfe beim diözesanen Caritas-Verband.

Aufgrund von Sparzwängen stand der Standort Rüdigerstraße 2015 zur Disposition. Öffentlicher Protest gegen die Verlegungspläne bewirkte zusammen mit Zuschusserhöhungen, dass die Wärmestube nach wie vor ihre Heimat direkt hinter dem Stadttheater hat. Dass Stadt und Land nun mehr Geld geben, war insbesondere dem Einsatz von CSU-Bundestagsabgeordneten Paul Lehrieder in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Fördervereins Wärmestube zu verdanken, so Christof.

Der Caritas-Mann warnte vor einer „diskreten Trennung armer Menschen von den anderen“. Hiergegen müssten sich die Kirchen, die Stadt und die Gemeinden zur Wehr setzen. Männer und Frauen, die nirgendwo fest wohnen oder die in extremer Armut leben, verheimlichten ihre Situation ohnehin „unter dem Druck der Gesellschaft“. Als verdeckte Arme blieben sie unsichtbar, was dazu führe, dass das Thema „Armut“ als vernachlässigbar angesehen wird.

Wie virulent die Problematik „Ausgrenzung“ ist, zeigt sich laut Ordnungsreferent Wolfgang Kleiner aktuell im Zusammenhang mit der Landesgartenschau. Wenn im kommenden Jahr von überall her Menschen nach Würzburg reisen, um die Schau zu sehen, sollen sie einer öffentlichen Forderung zufolge am Bahnhof nicht als erstes auf Menschen treffen, die „wild“ und „anders“ aussehen. Kleiner selbst wehrt sich dagegen, die kommunalen Sanktionsmöglichkeiten von Platzverweis bis Alkoholverbot am Bahnhof auszuschöpfen. „Wir dürfen zwar das Sicherheits- und Ordnungsrecht nicht außer Acht lassen“, betonte er. Wichtiger sei es jedoch, Menschen in Not zu helfen.

Von wie großer Bedeutung dies ist, bestätigte Christian Urban, der die Wärmestube seit zweieinhalb Jahren leitet. Wer in die Wärmestube kommt, bringe nicht nur häufig einen Rucksack voller eingesammelter Pfandflaschen mit: „Unsere Besucher haben auf ihrer Lebensreise meist auch unfreiwillig viele Probleme gesammelt.“ In der Wärmestube treffen sie auf Haupt- und Ehrenamtliche, die ihnen wegweisend zur Seite stehen. Oder auch einfach nur zuhören.

Dass die Arbeit derart niedrigschwellig ist, stellt die Hauptamtlichen vor Herausforderungen, erklärte sein Vorgänger Michael Thiergärtner. Jeden Tag nehmen ganz unterschiedliche Menschen das Angebot der Christophorus-Gesellschaft wahr. Täglich müssen andere Stimmungen aufgefangen werden, auf akute Probleme wird spontan und höchst flexibel reagiert.

Wichtig war allen Hauptamtlichen seit Beginn, die Besucher wertschätzend und würdevoll zu behandeln, ergänzte Brigitte Abt, die von 1998 bis 2013 in der Wärmestube tätig war. Kein Besucher sollte sich als Almosenempfänger fühlen. Deshalb kostet zum Beispiel auch die Tasse Kaffee den symbolischen Betrag von 30 Cent.

Die Verantwortlichen wollten außerdem von Anfang an Ehrenamtliche in die Arbeit einbinden. Heute tun über 30 Freiwillige in ganz unterschiedlichen Bereichen Dienst. So arbeiten auch (Zahn-) Ärzte, Anwälte und eine Fußpflegerin unentgeltlich mit. Für ihr langjähriges Engagement wurden drei Ehrenamtliche von Caritasdirektor Wolfgang Kues mit der Silbernen Caritas-Ehrennadel ausgezeichnet. Eine Freiwillige, die seit Eröffnung vor 20 Jahren mithilft, erhielt die Ehrennadel in Gold.

Günther Purlein

Zurück