Leben von der Hand in den Mund

EHAP-Team kümmert sich um Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft

Sonja Schäfer berät einen EHAP-Klienten. Bild: Günther Purlein

Würzburg. Nächtelang schlief Laco H. auf einem Würzburger Parkplatz in seinem Auto. Nach eskalierenden Streits mit seiner Frau war es dem aus der Slowakei stammenden Mann nicht mehr möglich gewesen, in der gemeinsamen Wohnung zu bleiben. Täglich machte sich Laco H. auf den Weg in die Bahnhofsmission, wo er dankbar Tee und etwas zu Essen annahm. Hier kam er auch in Kontakt mit Johannes Kopf, der dem sogenannten EHAP-Team der Christophorus-Gesellschaft angehört.

Die Abkürzung „EHAP“ steht für „Europäischer Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“. In vielen Städten kümmern sich Projektmitarbeiter um Menschen, die noch keinen Zugang zum örtlichen Hilfesystem gefunden haben, oder um Einheimische, die auf der Straße leben oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. „Seit Projektstart hatten wir in Würzburg Kontakt zu 276 Klienten“, berichtet EHAP-Projektleiter Michael Thiergärtner. Aufgenommen wurde er über die Christophorus-Einrichtungen – etwa die Bahnhofsmission, die Wärmestube und die Kurzzeitübernachtung. In rund zwei Drittel aller Fälle handelte es sich um Menschen aus Osteuropa.

Die Motivation der Menschen aus Osteuropa, ihre Heimat zu verlassen und nach Deutschland einzuwandern, ähnelt sich in vielen Fällen: Es mangelt im Herkunftsland an beruflichen Perspektiven und an Möglichkeiten, die eigene Existenz nachhaltig zu sichern. Aus diesem Grund kam auch Laco H. vor fast fünf Jahren mit seiner Frau nach Deutschland. In der Landwirtschaft fand er mehrere Monate Arbeit. Doch dann wurde er entlassen. Solange er noch mit seiner Frau zusammen war, ging es ihm trotzdem vergleichsweise gut. „Sie konnte im Gegensatz zu ihm recht passabel deutsch und regelte alle Angelegenheiten mit den Behörden“, erläutert Johannes Kopf.

Laco H. hingegen hadert mit der deutschen Sprache. Er lernt nur langsam und sehr wenig. Alleine kam er deshalb bald gar nicht mehr klar. „Er verstand offizielle Schreiben, etwa die von seiner Krankenkasse, nicht“, schildert Kopf. Durch die Trennung von seiner Frau und durch das quälende Gefühl, vollkommen verlassen zu sein, ging es dem Mann psychisch immer schlechter.

Das EHAP-Team wies Laco H. darauf hin, dass es in Würzburg die von der Christophorus-Gesellschaft getragene Kurzzeitübernachtung gibt, außerdem stellt die Stadt Notunterkünfte zur Verfügung. Darüber hinaus wurde dem Slowaken geholfen, offene Angelegenheiten mit seiner Krankenversicherung zu regeln. Schließlich vermittelte ihm das Team Hilfe, damit Laco H. seine immer schlimmeren seelischen Probleme bewältigen konnte.

„Wir haben es oft mit Menschen zu tun, die nicht gut oder kaum Deutsch sprechen“, erläutert EHAP-Mitarbeiterin Henrike Helmsen. Für diese Klienten Brücken ins Hilfesystem zu schlagen, ist eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Mit Sozialpädagogin Tamara Licheva, die selbst aus Bulgarien stammt, verfügt das Team immerhin über eine hauptamtliche Kraft, die Bulgarisch und Russisch spricht. Über einen kleinen Pool an Ehrenamtlichen kann immer dann übersetzt werden, wenn die Klienten Tschechisch oder Slowakisch sprechen.

Doch nicht immer steht ein Übersetzer bereit. Dann verzögert sich die Vermittlungstätigkeit. Ein eigenes Budget für Dolmetscherkosten wäre deshalb ein großer Wunsch des EHAP-Teams. „Dann könnten wir effizienter arbeiten“, so Thiergärtner.

Vor allem für Würzburger, die aus Osteuropa stammen, hat das Projekt einen hohen Stellenwert, betont der Projektleiter. Denn anders, als viele Menschen denken, erhalten sie keinerlei Sozialgeld: „Sie haben nur Anspruch auf eine Notunterkunft.“ Doch selbst das wissen nicht alle Rumänen, Bulgaren und Slowaken. Die EHAP-Mitarbeiter zeigen ihnen, wie man zu einer Notunterkunft kommt. Auch weisen sie die Menschen auf Stellen hin, die kostenlos Essen ausgeben – etwa die Erlöserschwestern, die Bahnhofsmission oder die Wärmestube.

Durch diese Tipps gelingt es den Betroffenen, zu überleben – wenn auch lange Zeit in extremer Armut. „Viele sammeln Pfandflaschen, um zu etwas Geld zu kommen“, berichtet EHAP-Mitarbeiterin Sonja Schäfer. Manche kennen auch Menschen, die ihnen ab und an ein bisschen Geld zustecken.

Doch die Hoffnung besteht, dass sie eines Tages schaffen werden, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. In ihren Heimatländern wäre ihre Situation auch kaum besser, sagt Tamara Licheva. Auch dort mussten die EHAP-Klienten in großer Armut gelebt. Wenn es mal einen Job gab, war der meist derart gering entlohnt, dass das Geld gerade so gereicht hatte, um zu existieren.

Nicht selten waren die Menschen daheim auch diskriminiert, weil sie Sinti oder Roma sind. Die permanente Abwertung und Ausgrenzung war denn auch für viele ein Hauptgrund, ihr Heimatland für immer zu verlassen. Licheva: „Der Weg zurück ist für die meisten Klienten aus Osteuropa deshalb etwas, was sie sich nicht vorstellen können.“

Günther Purlein

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