Mit Depression hinter Gittern

Seelisch kranke Straftäter sollen intensiver unterstützt werden – Fachtag am 21. Oktober

Werner Schühler von der Christophorus-Gesellschaft und Heike Schiller-Sauvant vom Haus Antonie Werr. Bild: Günther Purlein

Würzburg. Wie viele Gefangene an Depressionen leiden, von Angststörungen geplagt werden oder suchtkrank sind, lässt sich schwer abschätzen. „Es sind auf jeden Fall etliche“, sagt Werner Schühler, der die Zentrale Beratungsstelle für Strafentlassene der Christophorus-Gesellschaft leitet. Betroffenen Häftlingen soll künftig besser geholfen werden. Wie das konkret geschehen könnte, wird am 21. Oktober beim Würzburger Fachtag „Psychische Erkrankungen bei straffällig gewordenen Menschen“ diskutiert.

Der zehnköpfige Würzburger Arbeitskreis „Übergang und Vernetzung in der Straffälligenhilfe“, dem Schühler angehört, hat den Fachtag organisiert. Er wird am 21. Oktober um 9.30 Uhr im Caritashaus der Diözese Würzburg beginnen. Fachleute aus ganz Nordbayern wollen sich mit der Frage beschäftigen, was geschehen muss, damit die Wiedereingliederung von seelisch belasteten Straftäterinnen und Straftätern besser gelingt. Denn die ist im Moment noch alles andere als optimal.

Schühler zufolge stellt es für Fachkräfte in der Straffälligenhilfe aktuell eine große Herausforderung dar, psychisch Kranke nach der Haftentlassung so aufzufangen, dass sie künftig ein straffreies Leben führen können. Wie schwierig dies ist, schildert er am Beispiel des 25-jährigen Jonas Wolf (Name geändert). Der saß zu Jahresbeginn zum wiederholten Mal hinter Gittern.

Diesmal brachte ihn notorisches Schwarzfahren in die JVA. „Dafür hatte er eine Geldbuße bekommen, die er nicht zahlen konnte“, schildert der Christophorus-Mitarbeiter. Seit seinem 18. Lebensjahr bekommt Jonas Wolf keinen Fuß mehr auf den Boden. Er ist nicht imstande, Termine einzuhalten, ignoriert Abmachungen, zieht keinen Job durch. Das brachte ihn schon mehrmals um seine Wohnung, um Arbeitsplätze und letztlich auch um seine Freiheit.

Wer die Lebensgeschichte des Twens kennt, kann verstehen, warum Wolf ein so chaotisches Leben führt. Der junge Mann wuchs in keinem guten Elternhaus auf - gesundheitlich und emotional vernachlässigt. Das Jugendamt vermittelte ihn in eine Pflegefamilie, in der es ihm sehr gut ging. Doch die Traumatisierungen aus der frühen Kindheit wirken bis heute fort. Um das, was in ihm gärt, auszuhalten, konsumiert Wolf Alkohol und Drogen, die er über das Internet kauft.

Heike Schiller-Sauvant vom Würzburger Haus Antonie Werr, Mitglied des Arbeitskreises „Übergang und Vernetzung in der Straffälligenhilfe“, kennt ähnliche Probleme bei straffällig gewordenen Frauen. „Viele Frauen, die ich begleite, sind traumatisiert“, sagt die Sozialpädagogin. Einigen von Ihnen ging es ebenfalls in der Kindheit sehr schlecht. Ihre Eltern vernachlässigten sie. Oder sie wurden von einem Familienmitglied sexuell missbraucht.

Auch bei diesen Frauen können seelische Leiden wie Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder eine Suchterkrankung ein möglicher Hintergrund dafür sein, dass sie eines Tages hinter Gitter landeten. Eine von Schiller-Sauvants Klientinnen leidet zum Beispiel an Kaufsucht. Irgendwann ging ihr das Geld aus. Da verfiel sie auf betrügerische Methoden, um an Geld zu kommen. Andere Frauen ließen sich dazu animieren, Drogen weiter zu verbreiten. Und wurden dabei erwischt.

Nach einigen Monaten der Begleitung wünschen sich viele Frauen, ihre Lebensgeschichte in einer Psychotherapie aufzuarbeiten, sagt Schiller-Sauvant: „Doch es gibt viel zu wenige Therapieplätze.“ Die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen, die mit straffällig gewordenen Menschen zu tun haben, kennen diese Problematik. Noch gibt es keine gute Lösung, wie mit diesem Engpass umgegangen werden könnte.

Durch die Fachtagung soll ein Netzwerk für psychisch kranke Straftäter gestrickt werden. Für wichtig halten Heike Schiller-Sauvant und Werner Schühler unter anderem eine intensivere Kooperation mit der Würzburger Drogenberatungsstelle. Deren Leiter, Holger Faust, wird bei der Tagung darstellen, was seine Einrichtung aktuell mit Blick auf die neuen, „Legal Highs“ genannten Drogen tut.

Diskutiert werden soll auch darüber, inwieweit ein „Runder Tisch“ in der Justizvollzugsanstalt Drehtüreffekte bei psychisch kranken Gefangenen verhindern könnte. An einem solchen Tisch könnten im Team einzelne Fälle besprochen und Pläne für die Resozialisierung erarbeitet werden.

Günther Purlein

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