Wenn die Wohnung zu teuer ist

„Aktionswoche Schuldnerberatung“ steht heuer unter dem Motto „Albtraum Miete“

Die diesjährige Aktionswoche Schuldnerberatung thematisiert laut Schuldnerberaterin Nadia Fiedler die Problematik der hohen Mietkosten. Bild: Günther Purlein

Sie hatte ihn damals, vor der Ehe, über alles geliebt. Doch bald nach der Hochzeit ging es mit der Beziehung bergab. Ihr Mann schlug Lina T. Er betrog sie. „Wegen ihm hat sie jetzt auch Schulden“, sagt Nadia Fiedler, Leiterin der Schuldnerberatungsstelle der Christophorus-Gesellschaft. Diese Schulden wird Lina T. niemals abbezahlen können. Obwohl sie keine allzu schlechte Rente hat. Aber die Miet- und Mietnebenkosten verschlingen einen Großteil ihres Einkommens.

Arme Menschen haben derzeit kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt. Diese Tatsache geistert seit Monaten durch die Medien. Die Wohnungsnot hat jedoch noch eine andere Seite: Die hohen Mieten für das knappe Gut „Wohnraum“ sowie die hohen Kosten für Strom und Heizung können in Schulden stürzen. Darauf macht die bundesweite „Aktionswoche Schuldnerberatung“ in diesem Jahr vom 3. bis 7. Juni unter dem Motto „Albtraum Miete“ aufmerksam.

Auch für Lina T. sind die hohen Mieten ein echtes Problem. Die 70-Jährige lebt von knapp 1.200 Euro Rente. Die Wohnung, in der sie seit der Trennung von ihrem Mann alleine lebt, kostet warm 800 Euro. Lina T. bleiben 400 Euro zum Leben. An den Abbau des Schuldenbergs von 20.000 Euro ist nicht zu denken. Lina T. muss schauen, dass sie am Monatsende noch genug Geld hat, um sich etwas zu essen zu kaufen. „Meist lebt sie in den letzten Tagen des Monats von Nudeln“, sagt Nadia Fiedler, die Lina T. seit Ende 2018 begleitet. Im Winter versuchte ihre Klienten, so wenig wie möglich zu heizen.

An einen Umzug aus der teuren Wohnung ist so bald nicht zu denken. Obwohl Lina T. nach Alternativen sucht. „Sie hängt nicht an ihrer Wohnung“, sagt Fiedler. Wie auch. Hier hat sie Schläge kassiert. Hier hat sie erfahren, dass ihr Mann sie betrügt. Zudem ist die Wohnung nicht einmal hübsch. Auch die Lage ist ungünstig. Doch Lina T. findet nichts, was für sie bezahlbar wäre. „Das liegt an der großen Konkurrenz in Würzburg“, erläutert Fiedler. Alleinerziehende, Rentner mit wenig Geld, Studenten, Haftentlassene – alle konkurrieren auf dem Wohnungsmarkt um die wenigen kleinen Wohnungen mit erschwinglichen Mieten.

Schulden entstehen selten deshalb, weil sich jemand fahrlässig verhalten hat, erläutert Nadia Fiedler am Beispiel von Lina T. Die kann nichts dafür, dass ihr Mann einen großen Kredit aufgenommen hatte. Gut, sie hat mit unterschrieben. Doch zu jener Zeit hatte sie noch an ihn geglaubt. Dass die Ehe in die Brüche ging und sich dadurch die Wohnkosten für sie immens verteuerten, auch dafür kann Lina T. nichts. Es steht auch nicht in ihrer Macht, umzuziehen. Zum einen ist der Wohnungsmarkt eng. Zum anderen hat sie nur begrenzt Energie zum Suchen: Lina T. leidet an einer schweren Krankheit.

Immerhin ist Lina T. noch nicht bedroht, dass man ihr den Strom abdrehen würde. Sie achtet aber auch sehr darauf, dass ihr das nicht passiert. Andere der 600 Verschuldeten aus Stadt und Kreis Würzburg, die sich jedes Jahr neu an die Christophorus-Gesellschaft wenden, sind oft monatelang nicht imstande, ihre Abschläge zu zahlen. Sie schweben konkret in der Gefahr, bald ohne Strom dazusitzen. Wieder anderen droht die Räumungsklage, weil sie schon länger keine Miete mehr überwiesen haben. In solchen Situationen versucht die Schuldnerberatung alles, um die Existenz ihrer Klienten zu sichern.

Dass sie Schulden haben, ist den Betroffenen ganz und gar nicht egal, betont Fiedler. Viele schämen sich wegen ihrer finanziellen Misere. Weshalb sie auch oft erst spät in die Beratungsstelle kommen. „Am Ende sind alle froh, dass sie den Weg zu uns gefunden haben“, so die Einrichtungsleiterin. Die meisten hätten nie damit gerechnet, auf so viel Verständnis zu stoßen. Denn Schuldnerberatung heißt nicht nur, mit Zahlen zu jonglieren und Sparpläne aufzustellen. Fiedler und ihre Kollegen kümmern sich auch um alle anderen Probleme, die direkt oder indirekt mit der Schuldenproblematik zusammenhängen.

Kein einziger Klient hat nur das Problem, dass er das, was er zahlen muss, nicht zahlen kann, sagt Fiedler. Im Gegenteil: „Die ‚Multiproblemfälle’ nehmen zu.“ Schulden seien oft mit seelischer oder körperlicher Krankheit, Beziehungsproblemen oder familiären Konflikten verschwistert. Fiedler: „Wer wirklich nur Schulden hat und sonst kein Problem, kommt in aller Regel ohne uns zurecht.“

Günther Purlein

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