Wie Menschen in Geldnot geraten

Informationsveranstaltung zu „Krankheit und Schulden“ am 8. Juni bei der Christophorus-Gesellschaft

Nadia Fiedler berät eine psychisch kranke Klientin, die einen Schuldenberg aufgehäuft hat. Bild: Günther Purlein

Würzburg. In Norbert Steiners Leben lief lange Zeit alles ziemlich glatt. Er führte eine gute Ehe, die beiden Kinder hatten keinerlei Probleme in der Schule, der Job machte dem 43-Jährigen Spaß. Das alles brach zusammen, als Steiner vor knapp zwei Jahren eine Krebsdiagnose erhielt. Die Krankheit nahm ihn nicht nur psychisch mit. „Sie führte auch dazu, dass sich plötzlich immer mehr Schulden aufhäuften“, sagt Nadia Fiedler, Leiterin der Schuldnerberatungsstelle der Christophorus-Gesellschaft.

Nicht wenigen Menschen geht es so wie Norbert Steiner: Sie werden psychisch oder physisch krank und geraten aus diesem Grund urplötzlich in eine Schuldenproblematik hinein. Auf dieses Phänomen macht die „Aktionswoche Schuldnerberatung“ vom 6. bis 10. Juni? bundesweit aufmerksam. Auch die Christophorus-Gesellschaft beteiligt sich hieran. Unter dem Motto „Schulden machen krank – Krankheit macht Schulden“ findet in der Geschäftsstelle am Mittwoch, dem 8. Juni, ab 11 Uhr eine öffentliche Informationsveranstaltung zu der Thematik statt. Im Mittelpunkt steht ein Vortrag von Thomas Polak, Oberarzt an der Würzburger Universitätsklinik für Psychiatrie.

Norbert Steiners Situation verschlechterte sich drastisch, als er von seinem Arbeitgeber gekündigt wurde. Weil er so schwer krank war, hatte er keine Kraft, sich zu wehren, berichtet Nadia Fiedler: „Er kämpfte nicht einmal um eine Abfindung.“ Noch vor Ablauf der üblichen 72 Wochen stellte die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes mit der Begründung ein, dass Steiner wohl nicht mehr wird arbeiten können. Der Mittvierziger, dem es bisher so gut gegangen war, musste sich plötzlich auf Sozialhilfeniveau einrichten. Auf seinem Haus lastet eine Hypothek von 100.000 Euro. Das Auto ist noch nicht abgezahlt. Zwei Handyverträge machen ihm zusätzlich finanziell zu schaffen.

Nadia Fiedler machte sich mit ihrem Klienten daran, sämtliche Ausgaben danach zu durchforschen, inwieweit sie reduziert werden können. Es fanden sich zwei Versicherungen, die nicht notwendig waren und darum gekündigt wurden. Die Schuldnerberaterin besprach mit Norbert Steiner auch, wie er die Kosten für Lebensmittel- und Kleidungseinkäufe minimieren könnte. Außerdem erklärte sie sich bereit, mit der Bank zu sprechen, um die Ratenzahlungen für das Haus hinauszuzögern. Fiedler: „Schließlich sah der Klient wieder Licht am Ende des Tunnels.“

Im Gegensatz zu Norbert Steiner ging es Eva Sitting, einer anderen von Fiedlers Klienten, materiell noch nie richtig gut im Leben. Bisher kam die 35-Jährige allerdings irgendwie über die Runden. Doch im Laufe des letzten Jahres hatte es sie mehrfach gebeutelt. „Erst trennte sich ihr Mann von ihr, dann starb auch noch die Mutter“, schildert die Schuldnerberaterin. Das war zu viel für die junge Frau. Sitting geriet in eine schwere psychische Krise. Dies führte dazu, dass sie Dinge tat, die sie bis dahin noch nie gemacht hatte. Sie kaufte plötzlich sowohl in Butiken als auch im Internet wahllos ein - obwohl sie wusste, dass sie die Waren niemals würde zahlen können.

Gerade für Menschen mit psychischen Problemen sind Schulden fatal, sagt Nadia Fiedler. Der finanzielle Druck verschlimmert nicht selten das seelische Leiden. So war es auch bei Eva Sitting. Weil ihr Mann mit der gemeinsamen Tochter ausgezogen war, konnte sie sich die Wohnung plötzlich nicht mehr leisten. Sie war mit der Miete im Rückstand, es drohte die Zwangsräumung. Das löste massive Ängste bei ihr aus. Im Geiste sah sie sich schon unter der Brücke schlafen.

Auch hatte Eva Sitting keine Ahnung, wie sie die Gerichtskosten für das Scheidungsverfahren aufbringen sollte. Die unbezahlten Waren aus den Verzweiflungskäufen hatten zwischenzeitlich Inkassobüros auf den Plan gerufen. Die begannen, sie heftig zu bedrängen.

Auch Eva Sitting kam zu einem langen Erstgespräch zu Nadia Fiedler. Auch ihr wurde aufgezeigt, wo sie Einsparungen vornehmen könnte. Fiedler kontaktierte den Vermieter und den Energieversorger, sie nahm sich der ungeöffneten Post an und trat mit den Inkassobüros in Verbindung. Dafür ist ihr Eva Sitting unglaublich dankbar.

Vor allem schätzt es die junge Frau, dass sie Nadia Fiedler jederzeit anrufen kann, wenn es ihr nicht gut geht. In den Gesprächen mit der psychisch angeschlagenen Klientin geht es bei weitem nicht nur darum, finanzielle Probleme zu lösen. Damit sich die seelische Problematik der Frau nicht weiter verschlimmert, kümmert sich Fiedler auch psychosozial um sie.

Günther Purlein

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